Coe, David B. - Die Chroniken von Amarid 01 - Der Fluch des Magiers
gerade erst heller wurde, täuschte darüber hinweg, wie schwer dieser Augenblick für Jaryd war. Seine Mutter, die ihn an der Haustür fest umarmte, sagte ihm noch einmal leise und unter Tränen, wie stolz sie auf ihn war und wie sehr sie ihn liebte. Royden gab sich nach den gefühlvollen Worten am Abend zuvor nun scherzhaft und spielerisch und erteilte Ratschläge, wie Jaryd seine neue Stellung als Schüler eines Eulenmeisters dazu nutzen konnte, die Aufmerksamkeit junger Frauen auf sich zu ziehen. Und sein Vater, barsch und rau wie immer, wenn er dahinter seinen Kummer auch nicht ganz verbergen konnte, packte Jaryd an der Schulter und sagte ihm, wie sehr er ihm in der Schmiede fehlen würde. Dann führte er Jaryd ein paar Schritte von den anderen weg.
»Lass dir diese Macht, die du da hast, nicht zu Kopfe steigen!«, warnte Bernel ihn leise, aber eindringlich. »Sie verändert die Menschen. Lass nicht zu, dass so etwas mit dir passiert.«
»Ganz bestimmt nicht, Papa«, versicherte Jaryd ihm. »Ich verspreche es dir.«
Trotz der Traurigkeit, der Aufregung, der Ängste und Erwartungen versuchte Jaryd alles, was sie ihm sagten, so gut wie möglich aufzunehmen, damit er sich später an jedes Wort erinnern würde. Aber nur ein paar Stunden später, als er hinter Baden durch den feinen, kühlen Nebel auf einem Waldweg marschierte, der neben dem rasch dahinströmenden Bergseefluss verlief, konnte er sich schon kaum mehr daran erinnern. Tatsächlich erinnerte er sich von allen Worten, die an diesem Morgen gesprochen worden waren, am ehesten an jene, die nicht ihm gegolten hatten. Er hatte gehört, wie sein Vater leise und eindringlich auf Baden einsprach, bevor die beiden sich ein wenig ungelenk, wenn auch offensichtlich ehrlich umarmten.
»Zwischen uns ist es nie einfach gewesen, Baden«, hatte Bernel gesagt. »Das ist kein Geheimnis. Es fällt mir immer noch schwer, dir und Mutter zu verzeihen, dass ihr nicht da wart, als Vater starb.« Baden setzte dazu an, etwas zu sagen, aber Bernel hielt ihn auf, indem er den Finger hob und den Kopf schüttelte. »Aber das ist jetzt nicht mehr wichtig. Wir haben nun unser eigenes Leben, und es ist Zeit, dass ich aufhöre, an die Vergangenheit zu denken. Jaryds Weg besteht darin, dir zu folgen, das verstehe ich nun.« Er zögerte und schaute elend drein. »Pass auf ihn auf, Baden. Bitte«, hatte Bernel schließlich gesagt und den Blick ernst auf das Gesicht des hoch gewachsenen Magiers gerichtet. »Bei allem, was er ist und was er angeblich sein wird, ist er auch immer noch unser Jüngster. Pass auf ihn auf, und möge Arick euch beide leiten.« Jaryd hörte im rhythmischen Klang seiner Schritte, als er den Weg entlangging, diese Worte seines Vaters immer wieder. Bei allem, was er angeblich sein wird... In vielerlei Hinsicht fand er es immer noch schwierig, diese Zukunft, die Baden ihm vorhergesagt hatte, zu akzeptieren. Er bezweifelte nicht, dass der Magier Recht hatte, was diese Dinge anging. Er konnte sich mit erschreckender Klarheit an seine eigenen Traumvisionen erinnern, und er hatte die Wahrheit in Badens Worten gespürt, als der Eulenmeister erklärt hatte, er würde einmal ein mächtiger Magier sein. Aber trotz allem, was im vergangenen Jahr geschehen war, hielt er sich immer noch einfach für Jaryd, den Sohn von Bernel und Drina, der eines Tages Schmied oder vielleicht auch Lehrer sein würde. Am Tag nach seinem achtzehnten Geburtstag mit einem Eulenmeister zur Versammlung des Magierordens unterwegs zu sein, das bewirkte, dass er sich jünger vorkam als seit Jahren.
Er rückte seinen Rucksack zurecht und dankte zum fünften oder sechsten Mal an diesem Tag innerlich Rhys, Melek und Gissa für ihr Geschenk. Der Rucksack, aus festem Tuch und gerade genug Leder hergestellt, um den Boden und die Schulterriemen zu verstärken, war ausgesprochen leicht und bequem. Er hätte viel Platz für alles geboten, was Jaryd gerne mitgenommen hätte. Aber nachdem Baden mehrmals gewarnt hatte, ihre Reise würde lang und anstrengend werden und er würde weder Hilfe noch Mitgefühl für Jaryd übrig haben, wenn dieser versuchte, zu viel mitzuschleppen, hatte er schließlich viel weniger gepackt, als er geplant hatte. Er hatte einen Schlafsack und eine Zeltplane, unter der er vor Regen Schutz suchen konnte, Kleidung zum Wechseln, ein wenig Trockenfleisch, Obst, einen Wasserschlauch, einen kleinen Kochtopf, ein Seil, einen Feuerstein und seinen Dolch, den er am Gürtel trug. Während er
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