Coe, David B. - Die Chroniken von Amarid 01 - Der Fluch des Magiers
erstaunliche Auswahl an Obst und würzige Käse, die hervorragend zu dem roten Wein passten, der in Strömen floss. Während der Mahlzeit spielten Musiker und sangen Barden mit honigsüßen Stimmen und beschrieben mit dem angemessenen Humor oder der nötigen Dramatik die großen Triumphe und bitteren Tragödien des Landes. Beflügelt von dem Wein, dem Fackellicht und den Melodien, konnte Jaryd beinahe sehen, wie Arick das Land in Tobyn-Ser und Lon-Ser teilte, und er hörte Ducleas Verzweiflungsschrei über den Zorn ihres Gemahls und die Schande ihrer Söhne.
Er stellte sich Amarids Staunen vor, als der Erste Magier seine Kräfte erkannte, und schluchzte leise bei den Klängen von »Amarids Klage«, dem Lied, das vor so vielen Jahrhunderten nach dem Tod von Dacia, Amarids Frau, geschrieben worden war.
Nach Stunden des Feierns brach die Musik abrupt ab, und Jessamyn erhob sich, weißhaarig und lächelnd, und bat mit einer schlichten Geste um Ruhe. Sie mochte ihre Zweifel an ihren Fähigkeiten als Oberhaupt des Ordens haben, dachte Jaryd in diesem Augenblick, aber es war vollkommen klar, dass die anderen an sie glaubten und ihr überallhin gefolgt wären, selbst zu Therons Hain, wenn sie sie darum gebeten hätte.
»In diesem Jahr sind drei Kinder Amarids von uns gegangen«, sagte sie mit trauriger, aber weit tragender Stimme. »Verene, die dem Oberen Horn diente; Holik aus den Smaragdhügeln und Sawni, die der großen Wüste diente und einmal Trahns Lehrerin war.«
Jaryd schaute seinen Freund an und sah, wie Tränen über dessen dunkle Wangen liefen.
»Wir wollen einen Augenblick lang schweigen«, fuhr die Eulenweise fort, »und Arick und Duclea bitten, unsere Freunde mit offenen Armen aufzunehmen.«
Das Schweigen, das daraufhin Amarids Haus umgab, war beinahe mit Händen zu greifen, und es schwiegen nicht nur die Magier des Ordens, sondern auch die vielen Menschen, die ihnen durch die Straßen hierher gefolgt waren und Jessamyns Worte ebenfalls vernommen hatten.
Dann brach Jessamyn die Stille, und nun schwangen Freude und Aufregung in ihrer Stimme mit. »Dieses Jahr brachte auch die erste Bindung von zwei Menschen, die diesem Land mit ihrer Magie dienen wollen. Alayna aus Brisalli und Jaryd aus Accalia, würdet ihr bitte zu mir kommen?« Jaryd erhob sich, ebenso wie Baden, der den jungen Mann mit einem ermutigenden Lächeln zu der Eulenweisen führte. Der junge Magier spürte plötzlich wieder deutlich Ishallas Krallen in seiner Schulter und ihre Gegenwart in seinem Geist. Er gewöhnte sich mehr und mehr an die Verbindung, die zwischen ihnen bestand. Tatsächlich fiel es ihm bereits schwer, sich daran zu erinnern, wie es vorher gewesen war, bevor er ununterbrochenen Zugang zu ihrer Wahrnehmung gehabt hatte. Er wusste, dass die meisten Menschen in Tobyn-Ser ihr ganzes Leben nur mit ihren eigenen Gedanken verbrachten und nie eine solche magische Partnerschaft erfuhren. Das kam ihm plötzlich sehr einsam vor. Dann standen er, Baden, Alayna und Sartol in der Mitte des Hufeisentisches, direkt vor Jessamyn, die sie lächelnd betrachtete. Jaryd warf Alayna einen raschen Blick zu und bemerkte, dass auf ihrem schönen Gesicht ein seltsamer Ausdruck lag.
»Alayna und Jaryd«, begann die Eulenweise, »Arick hat euch beiden wunderbare erste Bindungen beschert. Ich muss tatsächlich ein wenig von dem üblichen Verlauf dieser Zeremonie abweichen, um noch einmal öffentlich zu verkünden, was viele von uns vielleicht schon bemerkt haben: Dies ist das erste Mal, dass wir in einem Jahr zwei neue Magier im Orden begrüßen, die sich beide an einen von Amarids Falken gebunden haben. Ich weiß nicht, was das bedeutet«, fügte sie mit einem raschen Blick auf Baden und Sartol hinzu, »aber ich denke, es kann nur etwas sehr Gutes sein.« Sie hielt inne, bevor sie mit den rituellen Worten fortfuhr. »Ihr wurdet beide von den Magiern und Meistern dieses Ordens willkommen geheißen. Nun müsst ihr eure Wahl treffen. Wollt ihr schwören, die Kräfte, über die ihr verfügt, im Dienste dieses Landes zu verwenden?«
»Ja«, erwiderten Jaryd und Alayna gleichzeitig.
»Werdet ihr geloben, die Gesetze, die Amarid für diesen Orden geschaffen hat, zu ehren und zu halten?«
»Ja«, erklärten die beiden Magier.
»Dann wiederholt die Gesetze nun mit mir zusammen«, befahl Jessamyn.
Jaryd hatte nicht versucht, sich an Amarids Gesetze zu erinnern, seit Baden sie an jenem Abend im Seegebirge zum ersten Mal für ihn aufgezählt hatte. Wenn
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