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Coe, Jonathan

Coe, Jonathan

Titel: Coe, Jonathan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die ungeheurliche Einsamkeit des Maxwell Sim
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nötigen Papiere auf den Weg zu bringen.
Wir verabschiedeten uns.
    Ich überlegte, ob ich meiner
alten Abteilung im vierten Stock einen Besuch abstatten und mich von den
ehemaligen Kollegen verabschieden sollte, entschied mich aber dagegen, weil ich
mit zu vielen peinlichen Situationen rechnete, zu viele unangenehme
Erklärungen würde abgeben müssen. Ein glatter Schlussstrich schien mir
angemessener. Also nahm ich den Fahrstuhl ins Erdgeschoss und verließ das
Kaufhaus durch einen der Haupteingänge anstatt durch den Personaleingang. Um
die Wahrheit zu sagen, ich wollte nichts wie raus aus dem Laden.
    Poppys Mutter lebte in einer
noblen Londoner Gegend: Ihre Postleitzahl begann mit dem Code SW7. Ich hatte
noch den ganzen Nachmittag vor mir und nahm mir die Zeit, ein oder zwei Stunden
lang durch diese grausam vornehmen, absurd wohlhabend aussehenden Straßen zu spazieren.
Ich schaute auf die großartigen, distanzierten, undurchdringlichen Fassaden
dieser soliden georgianischen Reihenhäuser, und mir war klar, dass es Jahre -
Jahrzehnte - dauern würde, bevor die Rezession hier irgendwelche Spuren
hinterließ. Diese Menschen hatten feste Mauern aus Geld um sich herum
errichtet, die in absehbarer Zeit nicht zusammenstürzen würden.
    Keine zwei Kilometer entfernt,
in High Kensington, wo ich einen großen Teil des Nachmittags verbrachte, war
die Situation nicht ganz so behaglich. Ich zählte ein halbes Dutzend Geschäfte
mit verrammelten Fenstern. Die meisten der übrig gebliebenen Läden gehörten zu
nationalen oder internationalen Ketten. Kein Mensch schien hier mehr Schuhe
oder Briefpapier kaufen zu wollen, nur der Appetit auf Handys war
offensichtlich ungebrochen, und niemand schien etwas dabei zu finden, drei
Pfund fünfzig für eine Tasse Kaffee zu zahlen. Ich auch nicht. Bei Starbucks
bestellte ich mir einen großen Pfefferminz-Mokka und dazu - sozusagen als
Mittagessen - ein getoastetes Panini mit Tomaten und Mozzarella. Der Barmann,
der mich bediente, stammte aus Fernost und korrigierte mich nicht, als ich um
ein Panini bat. Während ich es aß und dazu den Kaffee trank, dachte ich über
die Entscheidung nach, die ich an diesem Tag getroffen hatte. Hatte ich eine
Dummheit begangen? Es waren unsichere Zeiten. Trevor hatte mir versichert,
dass Guest Zahnbürsten auf soliden Füßen stand, aber jeden Tag gingen kleine
Firmen pleite. Das Kaufhaus war ein eingeführtes Unternehmen, in ganz
Großbritannien bekannt, und verfügte über einen loyalen Kundenstamm. Und ich
gab das alles auf für das pozenzielle Angebot (mehr war es nicht) einer festen
Anstellung in einer Firma, von der ich so gut wie nichts wusste. Aber ich hatte
Vertrauen zu Trevor. Und das Gehalt, von dem er gesprochen hatte, war besser
als mein derzeitiges. Es war sehr schwer zu entscheiden, was das Richtige war.
Zu viele unbekannte Größen.
    Unfähig, diese Probleme zu
lösen, dachte ich stattdessen über die Reise nach, die ich in gut einer Woche
unternehmen würde. Das Einzelhandelsgeschäft, das ich besuchen würde, war eine
Drogerie in einem Dorf namens Norwick, am nördlichsten Ende von Unst. Trevor
hatte bereits Kontakt mit denen aufgenommen, sie rechneten mit meinem Besuch.
Es schien mehr oder weniger eine Formalität zu sein, sie zum Kauf von Produkten
der Firma zu bewegen. Alles war bereits telefonisch vereinbart, es war also
kein großes Verkaufsgeschick gefordert. Meine Hauptaufgabe sei es, zu
entspannen, die Reise zu genießen und mein Videotagebuch so interessant wie
möglich zu gestalten, hatte Trevor zu mir gesagt. Jeden Nachmittag um fünf ging
von Aberdeen eine Fähre zu den Shetlands, mir boten sich also genug
Möglichkeiten. Wenn ich schnell sein wollte, käme ich mit nur einer
Übernachtung von Montag auf Dienstag aus, irgendwo zwischen Reading und
Aberdeen. Aus meiner Sicht würde sich die Grafschaft Cumbria anbieten. Ein
wunderbarer Vorwand, Caroline zu besuchen, vielleicht Lucy zum Abendessen
auszuführen. (Ich bezweifelte, dass Caroline Lust haben würde, uns zu
begleiten.) Ich musste mir Gedanken über ein Geschenk für Lucy machen,
irgendein nettes Mitbringsel ...
    Beim Gedanken an Mitbringsel
fiel mir ein, dass ich auch für meine Gastgeber heute Abend etwas brauchte. Ich
verließ das Starbucks und betrat ein Geschäft, das abartig teure, in elegante
superflache Tafeln geschnittene und minimalistisch verpackte Schokolade
verkaufte: als seien die Apple-Designer unter die Süßwarenproduzenten gegangen.
Ich kaufte für

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