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Coe, Jonathan

Coe, Jonathan

Titel: Coe, Jonathan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die ungeheurliche Einsamkeit des Maxwell Sim
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mit Caroline gegangen, als
wir vor all den Jahren an dem Resopaltisch in der düsteren Personalkantine zum
ersten Mal miteinander geredet haben, und so geschah es an diesem Vormittag
mit Lindsay und mir. Als sie bemerkte, dass ich neben ihr ging, wandte sie sich
mir lächelnd zu. Es war ein warmes, aufmunterndes Lächeln, hinter dem sich auch
etwas Beunruhigendes, vielleicht eine leise Nervosität, verbarg.
    »Und - sind Sie bereit?«,
fragte sie mich.
    »Bereit wofür?«, fragte ich.
    »Unsere IP009 in Gegenden zu
tragen, in denen sie noch nie gewesen ist.«
    Ich nickte. »Keine Angst. Ich
werde euch nicht enttäuschen.«
    »Umso besser.«
    Die Art, wie sie das sagte,
veranlasste mich zu bemerken: »Seltsame Atmosphäre hier heute Morgen. Alle
scheinen ein bisschen angespannt zu sein.«
    »Ach, das ist Ihnen
aufgefallen, ja?«
    »Ist alles in Ordnung?«
    Wir hatten schon leise
gesprochen, aber jetzt brachte Lindsay ihr Gesicht noch näher an meines heran.
    »Behalten Sie es für sich,
aber Alan hatte heute Morgen einen Termin bei der Bank. Es ist nicht gut
gelaufen.« Sie blieb stehen, um die anderen etwas Vorsprung gewinnen zu lassen
(wir befanden uns auf der Treppe zwischen erstem Stock und Erdgeschoss), und
fügte hinzu: »Sie weigern sich, ihm weitere Kredite zu geben. Er ist stinksauer
darüber, weil er mit dem Firmenkonto erst vor ein paar Wochen zu den Typen
gewechselt ist.«
    »Zu welchen Typen?«, fragte
ich - und als Lindsay mir den Namen der Bank nannte, erkannte ich ihn gleich.
Es war dieselbe, bei der Poppys grauenhafter Freund Richard gearbeitet hatte.
»Aber ... die Firma ist okay, ja? Alles stabil und sicher, meine ich.«
    »Ich rechne nicht mit
längerfristigen Schwierigkeiten«, sagte Lindsay.
    »Ich denke, es ist einfach ein
kurzfristiges Liquiditätsproblem.« Sie fügte hinzu: »Deshalb ist Alan auch auf
mich sauer.«
    »Auf Sie? Warum ist er sauer
auf Sie?«
    »Ich hab ihm heute Morgen die
Idee mit dem Preis für den niedrigsten Benzinverbrauch verraten. Er sagt, wir
können es uns nicht leisten.«
    »Es sind doch nur fünfhundert
Mäuse.«
    »Eben. Hab ich auch gedacht.
Aber offensichtlich haben wir im Augenblick nicht mal die flüssig. Und jetzt
macht er 'ne große Sache daraus, dass er das Geld aus eigener Tasche vorstreckt.«
    »Aus eigener Tasche?«
    »Yep.«
    Wir gingen weiter.
    Ich sagte: »Das alles setzt
Sie ziemlich unter Druck, vermute ich.«
    »Kann man wohl sagen. Ich
glaube, ihm dämmert langsam, dass der ganze Gag eine schlechte Idee war. Und
wenn er jetzt in die Hose geht ...«
    » ... kriegen Sie die Schuld?«
    Sie nickte, und ich sagte:
»Keine Sorge. Er geht nicht in die Hose. Die Idee ist schließlich brillant.«
    Lindsay schenkte mir ein
kleines dankbares Lächeln. Wir hatten das Erdgeschoss erreicht, und sie hielt
mir die schwere Tür auf, als wir das zugige Treppenhaus verließen und in das
schwache graue Tageslicht hinaustraten. Die anderen hatten auf dem Weg zu den
wartenden schwarzen Toyotas bereits den halben Parkplatz überquert. Als wir
draußen waren, blieb Lindsay stehen, um sich eine Zigarette anzuzünden.
    »Wissen Sie, das ist jetzt der
erste Monat, in dem wir unsere Hypothek nicht bedienen konnten. Martin hat
dieses Jahr noch gar nicht gearbeitet.«
    Trevor hatte mir erzählt, dass
Lindsays Ehemann in der Baubranche arbeitete. Aber mehr wusste ich nicht über
ihn, und ich fragte auch nicht nach.
    »Harte Zeiten, Max«, sagte
sie. »Ungemütliche Zeiten. Da müssen ein paar Leute mächtig Scheiße gebaut
haben. Leute in den obersten Etagen. Aber keiner will's gewesen sein.« Sie warf
einen Blick auf die kleine Menschenmenge, die sich um die vier schwarzen Autos
versammelte. »Na los, kommen Sie. Die Paparazzi warten auf Sie. Sie werden Ihre
Viertelstunde Ruhm doch nicht verpassen wollen.«
    Ich musste mich mit wesentlich
weniger begnügen. Der Fotograf machte ein Bild von uns vieren, wie wir vor den
Autos standen, und der Journalist stellte ein paar vage Fragen zum besonderen
Nutzen bestimmter Zahnbürstentypen für Menschen in entlegenen Ecken unseres
Königreichs: Er schien den Sinn der Übung nicht ganz begriffen zu haben. Nach
ein paar Minuten hatten die beiden ihre Arbeit getan, aber dann gingen sie
nicht etwa, sondern standen weiter dort herum, warteten auf unsere Abfahrt und
trugen dabei eine leicht belustigte und herablassende Miene zur Schau, die uns
allen gewaltig auf den Keks ging, um es vorsichtig auszudrücken.
    Es war alles sehr chaotisch
und

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