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Coins - Die Spur des Zorns

Coins - Die Spur des Zorns

Titel: Coins - Die Spur des Zorns Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Götz Justus
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unter das Vordach. Es hatte wieder zu regnen begonnen.
    „So ein Sauwetter!“ Pohl kam sich bei dieser lapidaren Bemerkung dämlich vor, doch zu profunderer Kommentierung war er nicht fähig. Sein Hirn schien wattiert, offensichtlich überfordert von dem, was sich in der letzten Stunde zugetragen hatte. Der fortgesetzte Pendelausschlag zwischen Himmel und Hölle hatte ihn in ein mentales Bermuda Dreieck gestürzt. Stumm ließ er Schöller passieren. Der drehte sich unter dem Vordach um, streckte Pohl zum Abschied die Hand entgegen. „Machen Sie’s gut, Professor! Wie gesagt – Sie hören von mir. Meine besten Grüße an Ihre Töchter!“
    Sie schüttelten sich die Hände. Pohl erstarrte inmitten der Bewegung, sah Schöller besorgt an. „Ich wünsche Ihnen alles Glück dieser Erde, dass Sie diese Aktion gesund überstehen.“
    „Danke. Kann’s gebrauchen.“
    „Sehen wir uns wieder?“
    Schöller schaute ihn nachdenklich an, dann schüttelte er den Kopf. „Besser nicht.“
    Pohl nickte. Er hatte verstanden. Ein letzter Händedruck. „Also dann.“
    Schöller entzog sich Pohls Griff, machte kehrt und hetzte durch den dichter werdenden Regen hinunter zu seiner Taxe. Sekunden später war er darin verschwunden. Ein letztes Winken, dann setzte sich das Fahrzeug in Bewegung. Pohl starrte ihm nach, bis die Rückleuchten hinter der aufstiebenden Gischt verschwanden. Er machte kehrt, trat ins Haus, schloss geistesabwesend die Tür. Er stand wie angenagelt im Windfang, rührte sich minutenlang nicht vom Fleck. Dieser Schöller! Er hatte geglaubt, mit ihm spielen zu können, doch nun war es gewiss: Er hatte ihn – wie ein blutiger Amateur – unterschätzt. Dieses Pokerspiel kannte nur einen Meister: Schöller! Von Anfang an! Plötzlich spielte ein Lächeln um Pohls Mundwinkel. Wenn es einer schaffte, das pädophile Schwein zur Strecke zu bringen, dann Schöller!
     
    Nur langsam begriff Pohl seine Situation in ihrer gesamten Tragweite. Gewiss, er hatte Kustows Bande den Todesstoß verpasst. Wenn auch kein Bandenmitglied durch seine Hand starb, so hatte er dennoch die Bande, Mann für Mann, in den Tod getrieben! War er ein Mörder? Vielleicht nicht vor dem Gesetz, doch moralisch sicherlich. Wäre er nicht gewesen, würden Kustow und seine Spießgesellen noch leben! Also war er für ihren Tod verantwortlich, er mochte es drehen und wenden, wie er wollte. Und nun Schöller, dieser Fuchs! Lieberman hatte in West Virginia den Weg gewiesen. Er hatte ihn befolgt, allergrößten Wert auf die Konstruktion der Alibis gelegt, doch Schöller hatte den Weg nachvollzogen, akribisch, Opfer für Opfer. Wann war er ihm auf die Schliche gekommen? War er dies wirklich oder bluffte er nur? Es blieb ein Rätsel, so sehr Pohl sich auch bemühte, in seiner Erinnerung nach möglichen Fehlern zu fahnden. Auch das bemerkenswerte Verhalten des Hauptkommissars vermochte er nicht zu erklären. Schöller hatte ihn offensichtlich überführt, doch nicht den Staatsanwälten ausgeliefert! Das war Strafvereitelung! Warum tat er das?
    Pohl stand vor einem Rätsel. Teilte der Hauptkommissar seine Sichtweise von Gerechtigkeit, obwohl er dies nicht hätte tun dürfen? Nach dem Gesetz wäre die Ermordung seiner Frau vermutlich ungesühnt geblieben, zumindest wäre das Strafmaß der Schwere der Tat nicht gerecht geworden. War das der Grund für Schöllers Großzügigkeit, die nichts anderes war, als eine eklatante Gesetzesübertretung? Oder waren es die Behinderungen, die Vertuschungsversuche übergeordneter Stellen? Pohl kapitulierte. Er würde die wahren Beweggründe vermutlich nie erfahren.
    Plötzlich fühlte er sich von zentnerschwerer Last befreit. Dank Schöllers Großmut konnte er mit seinen Töchtern das Weihnachtsfest in Freiheit feiern! Allein darauf kam es doch an, alles andere war belanglos! Alles? Er dachte einen Moment nach, dann schüttelte er lächelnd den Kopf. Da war doch noch etwas von besonderer Bedeutung: Schlank, blond, knapp über dreißig und bildhübsch! Pohl wusste plötzlich, wo sie das Fest begehen würden! Er schaute hinüber zum Telefon, dann auf die Uhr – zu früh für einen Anruf in die Vereinigten Staaten! Sein Blick strich über den Tisch, fixierte sein halbgefülltes Glas, darin tiefrot schimmernd Schöllers sizilianischen Ajana, das qualifizierteste Medium, die Stunden bis zu dem geplanten Anruf zu überbrücken. Er wollte schon nach dem Glas greifen, da fiel ihm Ellen ein. Was war er doch für ein Arsch! Er hatte

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