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Colin Cotterill

Titel: Colin Cotterill Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dr. Siri und seine Toten
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Schweiß und Rost mache Tante Lahs Baguettes zu den leckersten in ganz Vientiane. Ihre drei Söhne holten die heißen Laibe mit bloßen, in alte graue Tücher gewickelten Händen aus dem Ofen und luden sie auf ihren Karren.
    Jeden Morgen um sechs rol te Tante Lah ihr süß duftendes Brot zur Straßenecke vor der schwarzen Stupa. Gegen halb acht hatte sie gewöhnlich al es verkauft und holte die zweite Fuhre aus der Bäckerei. Die schob sie zur Setthathirat Ecke Nong Bon Road, wo sich die meisten Regierungsstel en befanden. Inzwischen hatte sich der Baguettekarren in einen Sandwichstand verwandelt. Beamte auf dem Weg zur Arbeit hatten die Wahl zwischen Kondensmilch, Sardinen und gesalzenem Büffelfleisch, und Tante Lah bereitete das Gewünschte zu und garnierte es liebevol , während ihren Kunden das Wasser im Mund zusammenlief.
    Ein Sandwich mit al en Extras aber wartete, sorgfältig in Pergamentpapier gewickelt, jeden Tag auf ihren ganz besonderen Kunden. Siri brauchte nichts zu bestel en. Er aß einfach, was Tante Lah ihm hergerichtet hatte. Es schmeckte immer anders und immer köstlich. Er bezahlte sie am Ende jeder Woche, und sie verlangte nie mehr als den üblichen Preis.
    Wenn Siri zu beschäftigt war, um sich das Sandwich selbst zu holen, schickte er Dtui, die behauptete, die Enttäuschung der alten Dame spüren zu können, noch bevor sie die Straße überquert hatte.
    »Seien Sie nicht albern.«
    »Doch, im Ernst. Sie ist in Sie verknal t.« Mindestens vier von Siris fünf Litern Blut schossen ihm ins Gesicht. Kichernd reichte Dtui ihm sein Mittagessen.
    »In meinem, äh… in unserem Alter verliebt man sich nicht mehr.«
    »Warum?«
    »Darum.«
    »Blödsinn.«
    »Wie bitte?«
    »Somchai Asanajinda sagt, solange das Herz für einen schlägt, kann es auch für zwei schlagen.«
    »Dann ist Somchai Asanajinda mit Sicherheit kein Arzt.«

    »Haben Sie in Ihren komischen Höhlen etwa keine Filme gesehen? Somchai Asanajinda ist wahrscheinlich der berühmteste Filmstar Thailands.«
    »Ach ja? Wie kann es berühmte Filmstars geben in einem Land, in dem es keine berühmten Filme gibt?«
    »Und ob es dort berühmte Filme gibt. Zumindest in Thailand kennt sie jeder.
    Die Thais machen wunderbare Filme.«
    »Nichts als Schießereien und bil ige Romanzen.«
    »Na also. Ich wusste doch, dass Sie sie sich heimlich anschauen. Somchai ist zwar uralt, spricht aber immer noch von Liebe und Leidenschaft.«
    »Wie alt ist er denn, vierzig?«
    »Über fünfzig.«
    »Meine Güte. Ein Wunder, dass er überhaupt noch lebt.«
    »Außerdem sind Romanzen ganz und gar nicht bil ig. Liebe kann man sich nicht kaufen, nicht für al es Geld der Welt.«
    Siri blickte von seinem Bericht auf, der von Rechtschreibfehlern wimmelte.
    Dtui hatte ihm den Rücken zugekehrt und sah durch die beiden noch verbliebenen Lamel en der Fensterjalousie. Sie schien gekränkt, auch wenn man ihr das von hinten nicht unbedingt ansah. Soviel er wusste, war sie noch nie mit einem Mann zusammen gewesen. Dank ihrer hohen Ansprüche waren ihre Chancen auf dem Heiratsmarkt gleich nul .
    Die Liebe, die sie suchte, gab es weder hier noch in der kleinen Hütte, die sie sich mit ihrer kranken Mutter teilte, ja vermutlich nicht einmal in Laos. Männer waren zweidimensionale Wesen mit spezifischen dreidimensionalen Vorlieben.
    Es hatte Zeiten gegeben, da waren große Oberweiten und breite Tail en en vogue, ein Symbol für Überfluss und Reichtum. Doch Ideale wandelten sich.
    Und im zwanzigsten Jahrhundert war Unterernährung à la mode. Dtui mit ihrer Wäschetonnenfigur passte da nicht recht ins Bild. Vor ihrer Tür wartete keine Schlange von Verehrern. Zwar hätten sie nicht al zu tief zu graben brauchen, um auf Humor und Herzlichkeit zu stoßen, aber dazu hätten sie schon einen Spaten mitbringen müssen.

    Nachdem er seinen Bericht ein zweites Mal geschrieben hatte, ging Siri mit seinem Sandwich, ein paar Bananen und einer Thermoskanne Tee zum Fluss hinunter. Genosse Civilai saß bereits auf ihrem Baumstamm und sägte mit einem stumpfen Federmesser an seinem selbst geschmierten Brot herum. Siri setzte sich lachend neben ihn. Civilai schnupperte.
    »Hmm. Was rieche ich denn da? Verfaulte Pankreas? Verkrebste Niere?«
    »Wenn überhaupt, riechst du dich selbst, du alter Trottel. Einen Toten habe ich heute noch nicht einmal von fern zu Gesicht bekommen.«
    »Ah, was für ein Leben.« Civilai säbelte noch immer an dem altbackenen Baguette herum. »Wofür bezahlt dich die

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