Colin Cotterill
den Bleistift zurück. »Ich werde mit niemandem über unsere kleine Unterredung sprechen. Wie Sie das halten, bleibt selbstverständlich Ihnen überlassen. Sie werden mich künftig mit der gegebenen Höflichkeit behandeln, und ich biete Ihnen dafür meine Hilfe und Erfahrung und werde mich nach Kräften bemühen, Sie -Schritt für Schritt
- zu einem Richter zu machen, der diesen Titel auch verdient.«
Haeng hatte die ganze Zeit wie hypnotisiert in Siris strahlend grüne Augen gestarrt. Siri nickte, drehte sich um, ging zur Tür und polierte eine Sandale an der Rückseite seines Hosenbeins, bevor er das Zimmer verließ, in dem es mit einem Mal unheimlich stil war.
8
EIN KLEINER ANGELAUSFLUG
»Also, ich muss schon sagen. Das ist doch um einiges nobler als eine Fahrt mit dem Bus.« Siri und Nguyen Hong saßen im Fond der schwarzen Limousine und starrten auf den Stiernacken ihres Chauffeurs, der den Kragen der engen vietnamesischen Armeeuniform zu sprengen drohte. Nguyen Hong hatte für die Reise etwas angezogen, das ihm passte.
»Der Botschafter würde nicht im Traum darauf kommen, mich mit öffentlichen Verkehrsmitteln über Land zu schicken. Er sagt, hier gibt es überal Banditen.«
»Und er glaubt, in einem Luxusschlitten sind wir sicherer?«
»Wir haben ja eine Eskorte.« Sie sahen durch Siris Fenster hinaus zu dem ebenso kleinen wie gut gelaunten Begleitmann auf seinem alten Postmotorrad. Über seiner Schulter hing ein Jagdgewehr. Im Hinterhalt lauernde Banditen hätten sie in Sekundenschnel e ausradiert.
»Ich glaube, Ihr Botschafter kommt zu selten unter Leute.«
»Siri, ich habe mich über die Elastizität des Schließmuskels sachkundig gemacht.«
Siri kicherte. »Und da heißt es immer, die Vietnamesen hätten keine Kultur.«
»Wir hatten uns ja gefragt, ob sich der Darm im Laufe von zwei Wochen nicht viel eicht auf natürliche Weise mit Seewasser gefül t hat.« Sie hatten in beiden Leichen ungewöhnlich große Wassermengen gefunden. »Dass die inneren Organe von Algen und Fischen nahezu verschont geblieben sind, deutet den Büchern zufolge darauf hin, dass die Muskelkontraktion den Darm mehr oder minder wasserdicht verschlossen hat. Es hätte sich also nicht so viel Wasser darin befinden dürfen.«
»Ich bitte Sie, Hong. Haben wir nicht schon genug Rätsel zu lösen? Viel eicht hatten sie Durst und haben vor ihrer Ermordung literweise Seewasser getrunken.«
»Dann hätte das Wasser die Nieren passieren müssen.«
»Was wol en Sie damit sagen?«
»Sind Sie schon mal Wasserski gefahren, Siri?«
»Aber ja. Ich hänge mich fast täglich hinter meine Yacht und drehe ein paar gepflegte Runden.«
Nguyen Hong lachte. Der Chauffeur betrachtete Siri im Rückspiegel und verachtete ihn für seinen Reichtum.
»Sie etwa?«
»Ich hatte eine privilegierte Jugend, bis mich die Erleuchtung überkam.«
»Meine Güte. Wie ist denn das so?«
»Wasserski fahren? Belebend.«
»Und wie hängt das al es mit den Schließmuskeln der beiden Trans zusammen?«
»Ich weiß nicht. Es ist nur so ein Gedanke. Aber ich war nicht gerade der Welt bester Wasserskifahrer. Ich habe öfter im Wasser gelegen, als auf den Brettern gestanden. Und es gibt keine bessere Methode, sich einen Einlauf zu verpassen, als …«
»Verstehe. Dann gehen wir also davon aus, dass die Trans auf dem Nam-Ngum-Stausee fröhlich Wasserski gefahren sind?«
»Wohl kaum. Aber wenn sie von einem Boot gezogen worden wären…«
»…wäre das Ergebnis dasselbe. Sehr raffiniert. Und vermutlich sogar Teil der Folter. Gott, ich hoffe, die Folterknechte haben etwas aus ihnen herausgekriegt. Sie haben sich jedenfal s große Mühe gegeben, sie zum Reden zu bringen. Wobei sich mir die Frage stel t, was sie denn wohl so Wichtiges zu sagen hatten. Sie verschweigen mir doch nichts, oder?«
»Ich habe Ihnen al es gesagt, was ich weiß. Und ich bin sicher, dass der Fahrer nichts wusste. Er hätte ihnen bestenfal s sagen können, wie viel Liter Sprit sein Jeep auf hundert Kilometer schluckt.«
»Also, ich an seiner Stel e hätte ihnen das beim leisesten Anzeichen von Gefahr verraten. Sie nicht auch, Fahrer?« Der Chauffeur ignorierte ihn und konzentrierte seine ganze Energie darauf, Schlaglöcher zu umkurven und Fußgänger in die Flucht zu schlagen.
Am Stausee wurden sie vom Direktor des Bezirks Nam Ngum empfangen, der sie mit den beiden Fischern bekannt machte, die die Trans gefunden hatten.
Der zweite Fischer hatte nichts Böses ahnend in seinem Boot
Weitere Kostenlose Bücher