Colin Cotterill
meine alten Tage anfange, an diesen Quatsch zu glauben.«
»Dann wirst du leider auch nicht erfahren, woran die Soldaten gestorben sind«, sagte Tshaj.
»Jetzt sag bloß nicht, es war Voodoo.« Er versteckte sein Unbehagen hinter einem weiteren Kichern, bemerkte jedoch, dass Lao Jong und ein Mann mit so dunkler Haut, dass Siri ihn kaum sehen konnte, schuldbewusste Blicke wechselten. Da dies zu seinen Pflichten als Dorfvorstand gehörte, übernahm Tshaj den Part des Geschichtenerzählers. Die anderen schenkten sich nach und lehnten sich bequem zurück.
»Die Soldaten kamen vor einem halben Jahr. Angeblich um uns zu helfen. Sie müssten al erdings ein Stück Wald roden, sagten sie, damit wir etwas anderes als Opium anbauen könnten.
Wir haben immer schon Opium angebaut. Wir selbst nehmen es eigentlich nur selten. Manchmal benutzen wir es zu Heilzwecken oder essen es, wenn uns die Nahrungsmittel ausgehen. Aber lange war es unsere einzige Einnahmequel e. Die Franzosen haben es jedenfal s gern genommen. Sie haben es uns förmlich aus der Hand gerissen. Und die Amerikaner haben es in Vientiane veredelt und an ihre eigenen Truppen in Saigon verkauft.
Aber die gute Demokratische Volksrepublik war natürlich strikt dagegen. Die Regierung meinte, wir müssten etwas anderes anbauen. Etwas Gesundes.
Wenn du mich fragst, wol ten sie uns auf diese Weise bloß kleinhalten, damit wir keinen Aufstand finanzieren können.
Seitdem sehen wir zu, wie die Soldaten den Wald roden, und warten gespannt darauf, was sie für uns säen werden. Hunderte von Hektar haben sie bereits gerodet.«
Siri nickte. »Das habe ich mir gedacht. Weißt du, wohin sie das Holz verkaufen?«
»Aber ja«, sagte der dunkelhäutige Mann. »Es wird durch Vietnam geschleust und dann nach Formosa verschifft, an die Feinde der Chinesen.«
»Wirklich? Mich würde interessieren, inwieweit die Regierung am Profit beteiligt ist.«
»Ist doch egal«, sagte Tshaj. »Ob die Armee oder die Regierung den Profit einsackt, spielt für uns keine Rol e. Wir bekommen jedenfal s nichts davon ab.«
Lao Jong, der am anderen Ende des langenTisches saß, den die Amerikaner als einziges Andenken zurückgelassen hatten, meldete sich zu Wort. »Die Tiere fliehen vor den Sägen, unsere Jagdgründe sind praktisch leer. Unsere jungen Männer suchen manchmal wochenlang nach Wild. Der Schlick, der von den Hügeln herunterkommt, verschmutzt unsere Bäche. Aber das sind nur Äußerlichkeiten.«
»Ja, das sind nur Äußerlichkeiten«, fuhr Tshaj fort. »Und damit sind wir bislang noch jedes Mal fertig geworden. Das macht uns auch keine Angst.
Aber der Tod eurer Soldaten hatte keine äußeren Ursachen. Wie du wohl weißt, hausen im Dschungel mächtige Geister. (Siri verdrehte die Augen.) Die meisten von ihnen sind gütig und hilfreich, aber es gibt auch viele bösartige verlorene Seelen dort draußen. Sie entsteigen den leblosen Körpern der gepeinigten Toten und wohnen bei den Nymphen in den Bäumen.«
»Zur Untermiete, meinst du?«
Tshaj ignorierte den Einwurf des lächelnden Doktors. »Wenn wir einen Baum fäl en, um Hütten zu bauen oder für eine Pflanzung Platz zu schaffen, bitten wir die Baumgeister um Erlaubnis. Wir bringen ihnen Gaben, manchmal sogar Opfer dar, je nachdem wie unser Schamane es für richtig hält. Normalerweise ziehen die Geister dann einfach weiter und nehmen es uns nicht übel.
Schließlich müssen wir zusammen leben und das Wenige teilen, was wir haben. So ist es immer schon gewesen.
Einige Bäume in dieser Gegend sind so alt wie das Land. Die Geister hier besitzen eine ungeheure Macht. Als die Soldaten kamen, haben sie nicht um Erlaubnis gefragt. Sie haben weder einen Wasserbüffel geopfert, noch einen Schamanen zurate gezogen. Sie haben einfach mit dem Roden angefangen.
Und sie haben gerodet und gerodet und das Holz mit Lastwagen fortgeschafft.
Sie haben Hunderte, Tausende von Bäumen gefäl t.
Kannst du dir das vorstel en? Das hat aus guten böse Geister gemacht. Und die sinnen nun auf Rache.«
»Die Baumgeister haben die Soldaten umgebracht?« Siri leerte seinen Schnaps, und sofort wurde ihm nachgeschenkt. »Und wie genau haben sie das angestel t? Mit Blitz und Donner?«
»Sie sind in sie gefahren.«
»Ich muss doch sehr bitten.«
Der zahnlose Herr Lao Jong beugte sich über den Tisch und sah Siri in die Augen.
»Das müsstest du eigentlich am besten wissen.«
»Ach ja?«
»Denk nur an deine Träume.«
Siri schauderte. »Was weißt du von
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