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Colin Cotterill

Titel: Colin Cotterill Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dr. Siri und seine Toten
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nur Siri und Kumsing darin. Kumsing war gefahren. Die wachhabenden Soldaten hatten sich widerwil ig auf den Posten an der Straße zurückgezogen. Die beiden Besucher waren den Einwohnern von Meyu Bo wehrlos ausgeliefert.
    Kumsing kamen erste Bedenken.
    Siri und die Ältesten begrüßten sich auf Hmong. Er hatte dem Hauptmann seine Theorie am Morgen dargelegt. Siri war in Khammouan zur Welt gekommen. Er hatte die ersten zehn Jahre seines Lebens hier verbracht. Er wusste nichts von seinen Eltern. Mit vier war er zu einer alten Frau gezogen.
    Aber wenn seine geheimnisvol en Verwandten Hmong gewesen waren, hatte er sich die Sprache ohne Zweifel angeeignet und sie sicher auch gesprochen.
    Seiner »logischen« Erklärung zufolge hatte die Sprache al die Jahre geruht und war durch den Kontakt mit den Hmong aus ihrem Schlummer gerissen worden. Kumsing mochte das zwar nicht recht glauben, aber Siri war diese Erklärung weitaus lieber als die Vorstel ung, tatsächlich ein Schamane zu sein. Bei seiner Rückkehr wol te er sich bei den Professoren an der Universität Dong Dok erkundigen, inwieweit dies überhaupt möglich war.
    Die Ältesten führten die beiden Männer zu Lao Jongs Hütte, wo gegenüber dem Eingang ein prachtvol er Schrein errichtet worden war. Davor steckte ein Zierschwert in der Erde. Auf dem Altar standen zwei Tabletts. Das eine war geschmückt mit einem kegelförmig zuammengerol ten Bananenblatt, anderen Bananenblatt-Origami und Blumen. Auf der Kegelspitze ruhte stolz ein geschältes Hühnerei und trotzte der Schwerkraft. Das zweite Tablett enthielt kleine Mengen diverser Lebensmittel, Alkohol und Betelnüsse, al es umhül t mit ungesponnenen weißen Baumwol fäden.
    Tshaj ging zum Hauptmann. »Sie bringen?«
    Nach außen hin wirkte Kumsing ruhig und skeptisch, aber er sprach mit zitternder Stimme. Er reichte Tshaj sein altes Uniformhemd. »Hier, aber wehe, Sie versauen es mit Kerzenwachs und Asche.«

    Tshaj faltete das Hemd zusammen. Lao Jongs Frau nahm das zweite Tablett vom Altar. Es hatte auf einem dritten, leeren Tablett gestanden, auf das Tshaj nun das Hemd legte. Dann stel te die Frau das Tablett mit den Opfergaben auf das Hemd. Damit war Kumsings Substanz auf die zeremoniel en Utensilien übergegangen.
    Die Ältesten wickelten die Baumwol fäden auf, die von den hölzernen Dachbalken herunterhingen, einmal um den Altar geschlungen waren und sich von dort bis zu den Türpfosten zogen.
    »Bitte warten, Herr.« Tshaj bedeutete Kumsing, sich zu Siri auf den Boden zu setzen.
    Ein Zuschauer nach dem anderen strömte herbei. Kein Dorfbewohner durfte fehlen. Nur so ließ sich feststel en, in wem der böse Geist - der Phibob -
    wohnte. Der Phibob konnte nicht direkt in seine Opfer fahren und ihnen etwas antun. Er suchte sich eine lebendige Seele, in der er sich verbergen konnte und diente den bösen Geistern so als Mittler, der ihre Flüche und Verwünschungen gegen den Aggressor lenkte. Die Wirte ahnten meistens gar nicht, dass sie den Phibob in sich trugen.
    »Also, ich weiß nicht, Siri. Wenn meine Männer davon erfahren würden…«
    »Wenn Ihre Männer davon erfahren würden, fänden sie das vermutlich ganz normal. Sie sind schließlich nicht als Soldaten zur Welt gekommen. Die meisten kennen solche Riten vermutlich auch aus ihren Dörfern. Außerdem wissen sie wahrscheinlich längst Bescheid.«
    »Woher wol en Sie wissen, dass es nicht nur ein Trick ist, um herauszufinden, wer das Projekt jetzt leitet? Warum sol ten Sie mir helfen wol en?«
    »Überleben.«
    »Was wol en Sie damit sagen?«
    »Wie, glauben Sie, wird die Armee reagieren, wenn auch der nächste und der übernächste Leiter des Projekts dran glauben müssen?«
    »Sie wird annehmen, dass die Hmong uns angegriffen haben.«
    »Und sie ausradieren.«
    »Wir sind doch keine Barbaren.«

    »Ach nein? Sie würden sich wundern, was Ihre Armee so al es treibt, wenn es darum geht, sogenannte Aufständische auszumerzen. Dörfer, die angeblich Hmong-Rebel en Zuflucht bieten, werden aus der Luft mit Chemikalien besprüht. Auf ein Dorf mehr oder weniger kommt es da nicht an. Darum helfen sie Ihnen. Sie wol en verschont werden. Und dazu müssen sie die Geister besänftigen und Sie vor dem Tod bewahren. Wenn es klappt, müssen Sie ab sofort für jeden gefäl ten Baum um Vergebung bitten.«
    »Dann bin ich bloß noch eine Witzfigur.«
    »Lieber eine lebende Witzfigur als ein toter Ungläubiger. Aber das liegt selbstverständlich ganz bei Ihnen.« Es fiel

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