Colin Cotterill
etwas diktieren können.
Es hatte wenig Sinn, noch länger hierzubleiben. Da er reichlich Zeit und nichts zu tun hatte, kritzelte er etwas auf einen Zettel und machte sich damit zu den Verwaltungsgebäuden hinter dem Parlament auf. Zu dieser frühen Stunde gehörte die vierspurige Lane Xang Avenue al ein den Radfahrern und Frühsportlern. Eine Handvol nicht mehr ganz taufrischer Tai-Chi-Kämpfer focht im Schatten des großen Anusawari-Tors mit unsichtbaren Gegnern.
Das Parlament lag noch im Tiefschlaf, aber der Wachposten versprach, die Nachricht an Civilai weiterzuleiten. Der Nudelmann eröffnete gerade seinen Stand, als Siri zur Klinik zurückkam. Er erhielt die erste Portion Nudeln, und obwohl die Brühe frisch zubereitet war, schmeckten sie wie immer: fad.
Er aß langsam und schlenderte gemächlich auf das Klinikgelände zu; noch immer blieb ihm eine gute halbe Stunde Zeit. Er spazierte um die Pathologie herum zum Büro des Khon-Khouay-Offiziers. Wie nicht anders zu erwarten, saß Genosse Ketkaew bereits an seinem Schreibtisch und verfasste einen zweifel os dringlichen Bericht über den einen oder anderen Verräter.
»Morgen, Genosse Ketkaew.« Der Mann zuckte erschrocken zusammen und ließ den Ohrhörer, den er getragen hatte, in einer Schublade verschwinden.
»Sie werden doch wohl nicht heimlich Thai-Radio hören?«
Siri trat ein und setzte sich auf den freien Stuhl, den der Hühnerzähler für Verhöre bereithielt. Ketkaew nickte, machte sich jedoch nicht die Mühe, etwas zu erwidern. Er beäugte Siri argwöhnisch.
»Ihre Frau macht Ihnen hoffentlich ein kräftiges Frühstück, damit Ihnen bei der vielen Arbeit nicht die Puste ausgeht.«
»Ich koche selbst«, brül te Ketkaew, obwohl Siri keinen halben Meter entfernt saß.
»Sol das etwa heißen, Sie sind nicht verheiratet?«
»Wer hat dafür schon Zeit? Fal s Sie es noch nicht gemerkt haben: Ich bekleide einen sehr verantwortungsvol en Posten. Also, was wol en Sie von…
?«
»Das ist ja interessant.«
»Was?«
»Dass ein gut aussehender Bursche wie Sie keine Frau hat.«
»He, Moment mal. Ich habe nichts gegen Frauen. Ich bin doch nicht…«
»Aber woher denn. Und die Frauen haben nichts gegen Sie.«
»Ich brauchte bloß mit dem Finger zu schnippen.«
»Kein Wunder. Bei Ihrem verantwortungsvol en Posten.«
»Ich könnte sie al e haben. Wenn ich nur wol te.«
»Eben. Genau das habe ich ihr auch gesagt.«
»Ihr?«
»Darum hat sie sich erst gar keine Hoffnungen gemacht, bei der Konkurrenz, und wo Sie doch so beschäftigt sind.« Er stand auf und wandte sich zum Gehen. »Ich werde es ihr ausrichten.«
»Sagen Sie. Kenne ich die, äh, Betreffende viel eicht?«
»Das glaube ich kaum. Wiedersehen.«
»Ich kenne viele Leute, wissen Sie. Wie heißt sie denn?«
»Vong.«
»Vong, und weiter? In meinem Bezirk gibt es mehrere Vongs. Wo arbeitet sie?« Siri bemerkte eine winzige Speichelperle im Mundwinkel des Mannes.
»Im Bildungsministerium. Mitten in Ihrem Zuständigkeitsbereich, wenn mich nicht al es täuscht. Sie war neulich hier, und ich schwöre Ihnen, als sie sah, wie emsig Sie Ihren revolutionären Pflichten nachkommen, ist die arme Frau vor Glück errötet. Sie hat nach Ihnen gefragt.«
Zehn Minuten später saß Siri in seinem Büro und grinste vor Schadenfreude von einem Ohr zum anderen.
»Ach, ein Eidechs möcht ich sein an der Wand von Vongs Büro, wenn der Hühnerzähler kommt, sie zu umgarnen.«
Es wurde acht, und er stand unter dem MORGUE-Schild, um seine Mitarbeiter gebührend in Empfang zu nehmen. Sie hatten ihm gefehlt. Um Viertel nach acht stand er noch immer da; keine Spur von Dtui oder Herrn Geung. Er ging hinein und sah im Kalender nach, aber heute war kein Feiertag. Nervös lief er auf dem Parkplatz auf und ab. Nicht dass sie zu spät kamen, machte ihm Sorgen. Sondern dass sie womöglich tot waren. Die Patronenhülsen in seiner Tasche klapperten bei jedem Schritt.
Um halb zehn saß Siri vor dem Büro von Klinikdirektor Suk. Suk hatte Siri erst auf dem Weg zu einer Personalversammlung und auf dem Rückweg gleich noch einmal ignoriert. Im Augenblick hatte er eine Besprechung mit dem Vertreter eines nordkoreanischen Pharmaunternehmens. Der Kommunismus führte bisweilen die sonderbarsten Bettgenosssn zusammen.
Kaum war der Vertreter gegangen, glitt Siri auf den Platz, den der Koreaner angewärmt hatte.
»Nanu, Dr. Siri. Ist Ihnen das Spesengeld ausgegangen?«
»Ich war beruflich unterwegs. Im Auftrag des
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