Colin Cotterill
Justizministeriums.«
»Wegen einer Obduktion, die Sie eine Woche gekostet hat.«
»Wegen zwei Obduktionen, die mich zwei Tage gekostet haben. Die übrige Zeit habe ich damit verbracht, meine Malaria auszukurieren.«
Bevor er als Schreibtischhengst Karriere gemacht hatte, war der Direktor Arzt gewesen. Er musterte den Mann, der angeblich von einer Krankheit genesen war, die jährlich zwölftausend Laoten das Leben kostete.
»Freut mich, dass Sie es überstanden haben.«
»Danke. Wo sind meine Mitarbeiter?«
»Die haben wir versetzt.«
Siri fiel ein Stein vom Herzen. »Sie können nicht ohne meine Einwil igung versetzt werden.«
»Ach ja? Sie waren aber nicht da, und es hatte niemand etwas dagegen. Wie Sie wissen, haben wir zu wenig Personal. Da lasse ich eine ausgebildete Krankenschwester doch nicht untätig herumsitzen und Comics lesen, in der vagen Hoffnung, dass Sie früher oder später aus der Versenkung auftauchen.«
»Wo ist sie denn?«
»In der Urologie.«
Siri kicherte. »Da kann sie noch was lernen. Und Geung?«
»Der hebt einen Abwassergraben aus.«
»Er ist ein erfahrener Pathologieassistent.«
»Da er nicht über die erforderlichen Zeugnisse verfügt, qualifiziert ihn das al enfal s zum Ausheben eines Grabens.«
»Ich wil sie wiederhaben.«
»Aber die beiden haben bei Ihnen doch nichts zu tun.«
»Um halb zwei bekomme ich eine Leiche herein.«
»Woher wol en Sie das wissen? Oder haben Sie am Ende selber nachgeholfen?« Suk lachte über seinen eigenen Witz, bis er Siris finsteren Blick bemerkte.
»Hal o, Doktor.«
»Tag. Meine Assistentin Dtui arbeitet doch bei Ihnen?«
»Aber ja. Sie ist dahinten. Immer geradeaus.«
Eine ältere Dame lag mit entblößtem Unterleib auf einer Untersuchungsliege.
Dtui trug Plastikhandschuhe und kauerte zwischen ihren Beinen. Sie blickte auf und war sichtlich erfreut, Siri zu sehen.
»Doc? Gott sei Dank. Retten Sie mich. Nehmen Sie mich mit in die Pathologie. Wenn ich noch einer grantigen alten Schachtel die Finger unten reinschieben muss, kriege ich einen Tobsuchtsanfal .«
Der Frau versuchte, sich zu bedecken.
»Schon gut. Ich bin Arzt.«
»In Wahrheit ist er Leichenbeschauer. Aber ob lebendig oder tot, spielt für ihn keine große Rol e.«
Das gab der alten Dame den Rest. Sie raffte ihren Phasin um sich und suchte das Weite.
»Ich kann verstehen, dass Ihnen Leichen lieber sind. Aber keine Angst, Schwester Dtui. Ab heute Nachmittag arbeiten Herr Geung und Sie wieder in der Pathologie. Ist etwas Ungewöhnliches passiert, solange ich weg war?«
»Nicht viel. Ihr vietnamesischer Freund ist nach Hanoi zurückgefahren.«
»Hat er was gesagt?«
»Kann schon sein. Aber wenn, haben wir kein Wort verstanden.«
»Hat er etwas für mich hinterlassen?«
»Seinen Bericht und einen Brief.«
»Gut.«
»Da die Angelegenheit ja offenbar streng geheim ist, habe ich die Sachen vorsichtshalber versteckt.«
»Braves Mädchen. Und wo?«
»In der Klinikbibliothek. Unter ›V‹. Dahin verirrt sich garantiert kein Schwein.«
Er beschloss, den Bericht des Vietnamesen vorerst in seinem Versteck zu lassen, damit er nicht in die falschen Hände geriet. Nachdem er sich für eine Weile in sein Büro zurückgezogen und dort gleich gegen mehrere Gesetze verstoßen hatte, schwang er sich auf Dtuis Fahrrad und machte sich nach Dong Mieng auf.
Obwohl der Tempel in der Sibounheuang Road ebenso gepflegt war wie der hinter Siris Haus, ging es hier ungleich wilder zu. Der Tempel diente dem Kultur- und Bildungsministerium als eine Art Versuchsbal on für ihr Alphabetisierungsprojekt.
Al e Mönche mussten unterrichten, unabhängig von ihrem Bildungsstand.
Nach der herrschenden Lehre war Buddha Kommunist gewesen. Aus Protest gegen den Kapitalismus hatte er Rang und Reichtum aufgegeben und dafür gekämpft, die Klassenschranken einzureißen. In Anbetracht dieser sozio-politisch-ökonomischen Wurzeln wurden Mönche im ganzen Land zum Lehrdienst zwangsverpflichtet.
Die Zahl befreiter laotischer Bürger, die eine Schule besuchten, war seit der Machtübernahme durch die Pathet Lao um fünfundsiebzig Prozent gestiegen, wie der laotische Rundfunk nicht müde wurde zu betonen. Leider verschwieg er seinen Hörern, was in den Schulen passierte und dass es kaum qualifizierte Lehrer gab. Von dem Umstand, dass die Mönche die Hauptlast dieses neuen Bildungssystems zu schultern hatten, gar nicht erst zu reden.
Sie hatten reihenweise Klassenzimmer mit Wänden aus Bananenblättern
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