Colin Cotterill
wohlverdienten Schlaf gebracht. »Na schön. Aber danach ist Schluss.«
Sofort kam Saloop bei Fuß und trabte stolz neben Siri her. Sie überquerten die Kreuzung und gingen zum Fluss hinunter.
»Sag mal, Hund. Heißt das, dass ich nicht mehr besessen bin, oder hast du einfach nur deine Angst vor Geistern überwunden? Oder gibt es sonst etwas, das du mir mitteilen möchtest?« Der Hund gab keine Antwort.
Als sie am Fluss ankamen, flitzte Saloop über die Uferstraße und hockte sich hin. Siri hielt an der Bordsteinkante inne, und der Hund sah zu ihm herüber.
»Nicht zu fassen. Und deshalb das ganze Theater?« Saloop hechelte, und Siri schüttelte den Kopf. Kichernd überquerte er die leere Straße und suchte sich eine flache Stel e neben seinem neuen Freund. »Na ja, wenigstens redest du nicht so viel Blödsinn wie der Kerl, mit dem ich sonst am Ufer sitze.«
Arzt und Hund schauten den Lichtern Thailands zu, die sich im Wasser spiegelten. Sie betrachteten die kleinen Fledermäuse, die über den indigoblauen Himmel flatterten. Es war zwar nicht direkt romantisch, aber wunderschön anzusehen. Ein friedlicher Moment wie dieser sol te Siri so bald nicht mehr beschieden sein.
Die Explosion zerfetzte die Stil e, und die Erde bebte. Siri stand auf und sah in die Richtung, aus der sie gekommen waren. Ein oder zwei Straßen weiter stieg eine nahezu unsichtbare Wolke aus dunkelgrauem Rauch in den Nachthimmel empor. Er brauchte sich nicht zu fragen, woher sie kam. Er wusste es.
Er eilte den schmalen Weg entlang, der vom Fluss zurück nach Hause führte.
Schon wimmelte es überal von Nachbarn in Nachthemden und Schlafanzügen, die der laute Knal aus dem Schlaf gerissen hatte. Sie irrten orientierungslos umher, als wüssten sie nicht recht, ob sie die Explosion nicht viel eicht nur geträumt hatten.
Siri ging weiter, bis er zum Haus kam. Es war unglaublich. Da stand es, stumm und dunkel, von der Katastrophe scheinbar unberührt. Aber er wusste, dass der Schein trog. Er wusste, dass sich hinter der Fassade Schreckliches verbarg. Er lief den Gartenweg entlang und stieß die schwere Tür auf. Sie ließ sich leichter öffnen als zuvor, denn da der Rest des Hauses sich verschoben hatte, saß sie jetzt passgenau im Rahmen. Die Schäden an der Rückseite des Hauses waren immens. Als er die Treppe hinaufblickte, konnte er den Himmel sehen. Sein Zimmer und das Dach darüber waren verschwunden. Das darunterliegende Zimmer schien irgendwie verformt, verzogen. Fräulein Vong versuchte verzweifelt, die Tür aufzustoßen. Sie rief immer wieder nach den Kindern und Frau Som. Deren Mann war zu einem Ausbildungslehrgang in Europa, und sie war mit ihren drei Mädchen al ein.
Siri eilte Fräulein Vong zu Hilfe und warf sich mit al er Macht gegen die Tür.
Das junge Pärchen aus dem Zimmer im ersten Stock musste hilflos Zusehen, denn die halbe Treppe und die Galerie waren verschwunden. Die Tür öffnete sich gerade weit genug, um hindurchschlüpfen zu können, aber drinnen war es stockfinster. Sie hörten die jüngste Tochter wimmern und husten. Siri bat Fräulein Vong, eine Taschenlampe zu holen, und sie lief in ihre Wohnung.
Er streckte den Kopf ins Zimmer und rief:
»Frau Som? Manoly? Seid ihr da drin? Könnt ihr mich hören?«
»Mami schläft noch«, antwortete Manoly. »Ich kriege sie nicht wach.«
»Wie geht es deinen Schwestern?«
»Sie haben Angst.«
»Schon gut. Ihr braucht keine Angst zu haben. Das war der letzte große Knal .
Passt mal auf. Ihr drei nehmt euch jetzt bei der Hand, folgt meiner Stimme und kommt vorsichtig zu mir. Los, Manoly, du gehst voran.«
»Und was ist mit Mami?«
»Die wecke ich, wenn ihr draußen seid.« Er sang ein Lied, um sie zu trösten und in seine Richtung zu lotsen. Al e drei husteten, als sie zur Tür kamen. Sie pressten sich ihre Kissen vors Gesicht. Dichter Staub erfül te das Zimmer.
»Brave Mädchen.«
Kaum waren die Mädchen draußen, kam Fräulein Vong mit der Taschenlampe. »Du lieber Himmel. Gott sei Dank ist euch nichts passiert.«
Sie wol te mit der Taschenlampe ins Zimmer leuchten, aber Siri stel te sich davor.
»Machen Sie die lieber erst mal aus.« Sie gehorchte. »Gehen Sie mit den Mädchen auf die Straße. Sie haben, glaube ich, ziemlich viel Staub geschluckt. Geben Sie ihnen reichlich klares Wasser zu trinken. Dann bringen Sie sie so schnel wie möglich in die Klinik.«
Inzwischen hatte sich vor der Haustür eine kleine Menschenmenge versammelt. Sie nahmen die Mädchen
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