Colin-Saga 03 - Die Erben des Imperiums
starrte zu Bischof Frenaur und Fürstmarschall Rokas hinüber. Keiner der beiden hielt dem Blick seiner feurigen Augen stand. Schließlich murmelte Vroxhan mit zusammengebissenen Zähnen etwas Unverständliches, atmete dann tief durch, und es gelang ihm – irgendwie –, dank eines ganzen Lebens voller priesterlicher Disziplin, immer noch sein Bedürfnis zu unterdrücken, den beiden zuhauf unflätige Ausdrücke an den Kopf zu werfen.
»Also gut«, krächzte er und legte eine Hand auf die Nachricht, die auf seinem Notizblock lag, »ich möchte genau wissen, wie das passiert ist!«
Frenaur räusperte sich. Er hatte seit einem halben Jahr Malagor nicht mehr aufgesucht, doch er hatte die Semaphoren-Berichte an Vroxhan gelesen und dazu noch weitere, persönliche Nachrichten, die von Unterbischof Shendar stammten. Letzterer residierte in Malgos, der Hauptstadt Malagors. Frenaur wusste nicht, ob er glauben sollte, was sich dort berichtet fand, doch selbst wenn nur ein Zehntel davon wirklich wahr wäre …
»Eure Heiligkeit, ich bin mir nicht sicher«, setzte er schließlich an. »Vater Uriad hat die Garde gegen die Ketzer geführt, ganz so, wie der Innere Kreis es befohlen hat. Fast einen ganzen Mond lang war er dabei stets erfolgreich. Es gab keinerlei Widerstand, bis er den Norden der Shalokars erreichte, wo die Ketzer sich in einem Pass verschanzt hielten. Er zog gegen sie zu Felde, und …« Er stockte und zuckte hilflos mit den Schultern.
»Eure Heiligkeit, die Gardisten, die geflohen sind, beharren allesamt darauf, irgendetwas gesehen zu haben, und ihre Schilderungen stimmen auf jeden Fall mit den Beschreibungen überein, die dieser Ketzer Stomald von den ›Engeln‹ gegeben hat.«
» Engeln? «, spie Vroxhan das Wort aus. » Engel , die einen geweihten Priester töten?«
»Ich habe nicht gesagt, dass es wirklich ein Engel gewesen ist , Eure Heiligkeit!« Frenaur widerstand dem Drang, vor dem Hohepriester zurückzuweichen. »Ich habe lediglich festgestellt, dass die Gardistenberichte zu der Beschreibung passten, die Stomald uns gegeben hat. Und was auch immer es nun gewesen ist, es hat die Ketzer mit einer Macht beschützt, die über die von Sterblichen weit hinausgeht!«
»Vorausgesetzt, dass die Feiglinge, die davor geflohen sind, nicht aus Furcht vor dem Zorn von Mutter Kirche lügen!«, fauchte Vroxhan, und Marschall Rokas, der neben Frenaur stand, wurde sehr unruhig.
»Eure Heiligkeit …«, die raue Stimme des grauhaarigen Veteranen klang respektvoll, aber furchtlos, »Hauptmann-General Yorkan hat das Gleiche berichtet. Ich kenne Yorkan. Ich würde merken, wenn sein Bericht nur ein Versuch wäre, sich selbst zu schützen.« Der grimmige alte Krieger hielt dem Blick seines Herrn stand. Vroxhan betrachtete ihn noch einen Augenblick mit finsterem Gesicht, dann seufzte er.
»Also gut«, sagte er mit schwerer Stimme, »ich muss deren Berichte akzeptieren, wenn sie alle das Gleiche sagen. Aber was auch immer dieses … dieses Ding gewesen ist, es war kein Engel! Wir haben nicht die Prüfung überstanden, nur damit plötzlich Engel auftauchen und uns erzählen, dass unsere Lehrsätze fehlerhaft sind! Wäre das der Fall, dann hätte die Stimme uns nicht gerettet!«
Frenaur biss sich auf die Zunge. Im langen Dienst für die Kirche erworbene Weisheit ließ ihn erkennen, im Augenblick sei nicht der richtige Zeitpunkt, seine Heiligkeit auf die Ungewöhnlichkeiten hinzuweisen, zu denen es während der Liturgie der Prüfung gekommen war. Und, so dachte er unglücklich, noch weniger ist jetzt der richtige Zeitpunkt darauf hinzuweisen, dass Stomald nie behauptet hat, seine ›Engel‹ hätten überhaupt eine Botschaft verkündet, geschweige denn der Kirche Fehler vorgeworfen. Außerdem beweist doch allein schon die Tatsache, dass diese … Wesen sich im ›Tal der Verdammten‹ zu schaffen gemacht haben, dass sie keine Engel sein können … oder etwa nicht?
»Aber was auch immer passiert ist, es hat uns mehr als zwanzigtausend Gardisten gekostet«, fuhr Vroxhan erbittert fort.
»Das hat es, Eure Heiligkeit!«, stimmte Rokas zu. »Und schlimmer noch: Wir haben auch deren Ausrüstung verloren einschließlich des gesamten Artillerie-Trosses … und die Stellungen der Abtrünnigen teilen unsere Streitkräfte in zwei Hälften!«
Vroxhan zog ein Gesicht, als müsse er saure Milch trinken, doch er nickte. Vielleicht glomm in seinem Blick auch eine Spur Respekt davor auf, dass Rokas diese Niederlage eingestand, ohne mit
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