Colin-Saga 03 - Die Erben des Imperiums
Schisma nur noch angeheizt, und der damalige ›Innere Kreis‹, der sich mit den Schismatikern ohnehin schon einen Kampf auf Leben und Tod geliefert hatte, konnte die folgenden Kriege dazu nutzen, Malagor zu spalten. Fürst Uroba, Malagors derzeitiger ›Regent‹, war eine Marionette des Tempels – ein Trinker, der nicht dank seiner Geburt oder seiner Verdienste im Amt blieb, sondern nur dank der Piken der Garde – und das wusste sein Volk auch.
»Unsere Streitkräfte im Westen von Malagor sind schwach«, fuhr Rokas fort. »Wir haben vielleicht vierzigtausend Gardisten in Doras, Kyhyra, Cherist und Showmah, aber weniger als fünftausend in Sardua und Thirgan, und die Ketzerei hat sich schneller gen Westen denn gen Osten verbreitet. Tatsächlich steht meines Erachtens zu fürchten, dass die Garde in diesen Regionen angesichts der derzeitig doch eher geringen Stärke sehr in Bedrängnis geriete, sollte sie versuchen, weitere aus dem einfachen Volk davon abzuhalten, sich dieser Ketzerei anzuschließen. Außerdem wird die Semaphoren-Kette quer durch Malagor schon bald den Ketzern in die Hände fallen, sodass wir dann über keinerlei unmittelbare Kommunikation mehr verfügen. Es wird uns nichts anderes übrig bleiben, als Nachrichten mittels Semaphoren erst nach Arwah zu senden und dann per Schiff nach Darwan, damit sie schließlich über die Kette in der Qwelth-Schlucht nach Aiwa weitergegeben werden können. Eine derartige Verzögerung wird eine Koordination unserer Streitkräfte im Osten und im Westen von Malagor so gut wie unmöglich machen.«
Er schwieg, bis Vroxhan erneut nickte, dann fuhr er langsam fort.
»Die Gesamtstärke der Garde im Westen von Malagor liegt also, wie ich bereits erwähnte, bei vielleicht fünfundvierzig- bis fünfzigtausend. Hier im Osten kann der Tempel das Fünffache an Gardisten aufbieten, wenn wir alle Garnisonen nur noch mit einer Minimalbesatzung halten. Sollten wir dazu noch weitere Truppen benötigen, so müssten wir zur Generalmobilmachung schreiten, aber ich würde es ebenso wie Ihr bevorzugen, nicht auf die Truppen der weltlichen Herrscher zurückzugreifen – zumindest so lange nicht, bis wir einen ersten Sieg vorzuweisen haben und derart beweisen, dass diese ›Engel‹ tatsächlich Dämonen sind.«
Wieder hielt er inne, und erneut nickte Vroxhan, dieses Mal jedoch voller Ungeduld.
»Die einzigen nutzbaren Routen nach Malagor oder von dort fort sind die Thirgan-Schlucht und das Keldark-Tal. Die Schlucht ist breiter, aber auf dem Weg dorthin befinden sich zahlreiche, kampfstarke Befestigungsanlagen, die durch die Ketzer sehr wohl eingenommen worden sein könnten, bis wir unsere Truppen in Marsch zu setzen in der Lage sind. Angesichts dieser Tatsache und der Schwäche unserer Truppen im Westen möchte ich vorschlagen, dass wir die Garde aus dem Westen im Süden der Cherist-Berge rings um Vral zusammenziehen. In dieser Position können sie sowohl die Thirgan-Schlucht abriegeln, als auch die Zivilbevölkerung im Auge behalten.«
Rokas begann auf und ab zu gehen und an seinem Kinnbart zu zupfen, während er die Worte nacheinander aufreihte, als wären es Pikeniere.
»Die Hauptmacht unserer Truppen liegt im Osten. Wenn die Schlucht erst einmal abgeriegelt ist, können wir unsere Kräfte in Keldark zusammenziehen und Keldarks eigene Gardisten dazu einsetzen, das Tal gegen Ausfälle der Ketzer zu verteidigen, bis wir bereit sind. Das Tal ist gefährliches Terrain und noch schmaler als die Schlucht, aber ein Großteil der dortigen Festungen wurde nach den Schisma-Kriegen geschliffen. Es gibt dort drei Orte, an denen die Ketzer vielleicht würden lagern können: Yorstadt, Erastor und Baricon. Alle lassen sich ausgezeichnet verteidigen. Jeder Versuch sie einzunehmen wäre mit immensen Verlusten verbunden.«
Er verzog das Gesicht. »Strategisches Geschick wird nicht allzu sehr erforderlich sein, bis wir nach Malagor selbst vorstoßen, Eure Heiligkeit, nicht bei derart wenigen möglichen Angriffsrouten, aber das Gleiche gilt natürlich auch für die Ketzer. Und im Gegensatz zu uns müssen sie ihre Truppen noch ausstatten und trainieren. Wenn wir schnell zuschlagen, dann können wir vielleicht das gesamte Tal sichern, bevor die Ketzer Zeit genug hatten, sich vorzubereiten.«
»Ich bin deiner Ansicht«, sagte Vroxhan nach kurzem Nachdenken. »Und es ist tatsächlich am sinnvollsten, von Osten her vorzurücken. Falls die Ketzer angreifen können , bevor wir unsere Vorbereitungen
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