Colin-Saga 03 - Die Erben des Imperiums
sie. Sie besaßen alle Waffen, die sie von der malagoranischen Garde erbeutet hatten, dazu praktisch alle Waffen der Heiligen Heerscharen unter Fürstmarschalls Rokas' Kommando, einschließlich dessen gesamte Artillerie. Dennoch hatte Sean sich dafür entschieden, gerade genug seiner Reserve hinzuzuziehen, um sechzigtausend Infanteristen und Dragoner und eine Artillerie mit zweihundert Kanonen unter sein Kommando zu stellen. Reserve!, schoss es ihm verbittert durch den Kopf, Ersatz sollte ich sagen! Und er dachte an die fünftausend Opfer, die Erastor gefordert hatte. Zweihundert Gewehrschützen-Bataillone, die meisten davon Veteranen von Yorstadt, Erastor und Baricon, unterstützt von einhundertfünfzig Arlaks und fünfzig Chagors, waren mehr als genug gewesen, um die weltlichen Aufgebote von Keldark, Camathan, Sanku und Walak aufzureiben. Sean hatte jetzt den ganzen Nordosten von Nord-Hylar in seine Gewalt gebracht, von den Shalokars bis zum Ozean. Er fragte sich düster, wie viele Männer noch ihr Leben würden verlieren müssen, bis der ›Tempel‹ sich auf Verhandlungen einließe. Stomald und er hatten weiß Gott schon nach dem Fall von Erastor darum gebeten – fast darum gebettelt ! Konnte der ›Innere Kreis‹ denn nicht verstehen, dass seine Männer und er gar nicht töten wollten ? Brashan war es immer noch nicht gelungen, Fernsonden innerhalb der Einhundert-Kilometer-Schutzzone um den ›Tempel‹ einzusetzen, also konnten sie auch nicht in Erfahrung bringen, was während dieser Ratssitzungen unter der Leitung von Vroxhan besprochen wurde. Die Prälaten schienen offensichtlich willens, eher jeden kampffähigen Mann in ganz Nord-Hylar in den Tod zu schicken, als mit diesen ›Dämonen-Anhängern‹ auch nur zu reden!
Die Krankenträger waren schon beschäftigt. Sie hatten die furchtbarste Aufgabe von allen, und doch gingen sie dabei mit einem Mitgefühl vor, das Sean immer noch zu überraschen vermochte. Die ›Armee der Engel‹ war sich ihrer taktischen Überlegenheit ebenso bewusst, wie das für ihren Kommandanten galt, und ebenso wie Sean wussten auch die meisten seiner Soldaten, dass die feindlichen Soldaten, die hier über das Schlachtfeld verteilt lagen, Opfer dieser Überlegenheit waren. Die eigenen Verluste, Gefallene und Verwundete zusammengenommen, lagen bei weniger als eintausend Mann, und die meisten seiner Truppen widerte es inzwischen ebenso an wie ihn, den Gegner immer weiter abschlachten zu müssen. Die Chancen waren nicht mehr gerecht verteilt, und die Männer, die sie dort in der Schlacht töteten, waren nicht die, um die es wirklich ging. Mit jeder Schlacht, mit jeder Armee, die sie zerschmetterten, wuchs ihr Hass auf den ›Inneren Kreis‹, doch es war kein religiös motivierter Hass. Die ›Engel‹ hatten stets darauf geachtet, keine religiöse Botschaft zu übermitteln – abgesehen davon, dass sie das Streben der Malagoraner nach Gewissensfreiheit unterstützt hatten, und seit Harry ihm die Wahrheit offenbart hatte, war Stomald immer mehr dazu übergegangen, die politische Tyrannei des ›Tempels‹ und dessen enormen, nur zum eigenen Vorteil genutzten Reichtum zu betonen. Die ›Armee der Engel‹ wollte ein für allemal mit den alten Männern in Ans abrechnen, die Menschen in den Tod schickten, mehr und immer mehr; sie wollten den ›Inneren Kreis‹ einfach loswerden, unbedingt.
Sean zog an den Zügeln und schaute zu, wie ein Krankenträger-Trupp mit seiner bemitleidenswerten Fracht vorbeimarschierte. Verwundete, die noch aus eigener Kraft gehen konnten, schleppten sich hinkend und taumelnd hinter den Männern mit den Tragen her. Wenigstens hatte Harry unter Anleitung von Brashan und dem MediComputer der Israel die malagoranischen Ärzte Dinge lehren können, die für diese einen nicht für möglich gehaltenen Fortschritt bedeuteten. Allein schon die Einführung von Äther als Narkosemittel hatte die Medizin auf Pardal regelrecht revolutioniert, und Sean hatte sich selbst einen feierlichen Eid geschworen: Das Erste, was er von Birhat aus nach Pardal schicken würde, seien MediTechniker-Teams mit anständiger Regenerationsausrüstung. Die Toten konnte er nicht wieder ins Leben zurückholen, doch, bei Gott , er konnte den Verstümmelten, egal auf welcher Seite sie nun gekämpft hatten, wieder die Möglichkeit geben, in ihr altes Leben zurückzufinden!
Er schürzte die Lippen, als er darüber nachdachte, wie viel dieser wilden Entschlossenheit von dem Bedürfnis herrührte,
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