COLLECTION BACCARA Band 0269
„Clary fährt einen Chevrolet Blazer mit Allradantrieb. Er hat keine Probleme, einen Angelplatz zu erreichen.“
„Wir auch nicht.“ Noah stieg aus dem Wagen und zog die Angeln hinter den Sitzen hervor. Er hatte zwei neue Angelruten in Keller’s Market gekauft, die kurz genug waren, um in seinen Wagen zu passen. Jessie hatte die Ruten verächtlich angesehen und ihm ihre teure, hochmoderne Angel ausgehändigt. Er musste sie fast bis an ihren Brechpunkt biegen, damit sie überhaupt in seinen Wagen passte.
„Der Fluss ist noch fast eine Meile von hier entfernt“, protestierte Jessie. „Ich laufe nicht dorthin.“
Das Mädchen war stur und clever und hatte in jeder Situation eine neue Entschuldigung parat. Doch er war noch cleverer und vor allem total genervt. „Du schaffst es nicht, eine Meile zu laufen?“, fragte er zuckersüß und holte die Kühlbox aus dem Kofferraum.
Widerstrebend stieg Jessie aus dem Wagen. „Ich werde klitschnass“, sagte sie übel gelaunt.
Noah blickte vielsagend auf ihre Regenjacke.
„Aber meine Schuhe und Jeans.“
„Daran habe ich nicht gedacht“, sagte er und stellte die Kühlbox wieder in den Kofferraum. „Wir können stattdessen auch shoppen gehen oder sonst etwas unternehmen, was kleine Mädchen gern machen.“
Jessie bedachte ihn mit einem verächtlichen Blick, schnappte sich ihre Angel und machte sich auf den Weg.
Noah nahm die Kühlbox und das Angelzeug und folgte ihr. Schweigend liefen sie nebeneinander her, doch es war ein sehr beredtes Schweigen. Jessie warf ihm immer wieder tödliche Blicke zu. Noah tat, als er merkte er es nicht, doch die Botschaft kam laut und deutlich bei ihm an.
Sie stiegen eine kleine Anhöhe hinauf. Von dort konnten sie einen kleinen See sehen, der am Ende einer Wiese lag, mehrere hundert Meter entfernt.
„Nicht schlecht“, sagte Noah. „Ich wette, in dem See sind ein paar anständige Barsche.“
„Clary sagt, nur Amateure fischen vom Uferrand aus. Außerdem kommen nur kleine Fische nah ans Ufer.“
Da Noah keine Boote entdecken konnte, blieb ihnen nichts anderes übrig, als am Ufer zu bleiben. „Soll ich den Köder für dich am Haken befestigen?“
Jessie warf ihm einen verächtlichen nein-danke – Blick zu, holte einen Regenwurm aus der Plastikdose und spießte das arme Tier auf. Sie ließ keinen Zweifel daran aufkommen, dass sie am liebsten auch Noah aufgespießt hätte. „Clary sagt, man ist erst ein richtiger Angler, wenn man den Köder selbst befestigt.“
Noah starrte sie an.
„Das hat er gesagt“, sagte sie streitlustig. „Und er hat recht. Nur weil ich ein Mädchen bin, musst du nicht den Köder für mich befestigen.“
Noah befestigte einen Köder an seinem Angelhaken – zugegebenermaßen nicht ganz so gekonnt wie sie – und warf die Angel aus. Obwohl er nicht mehr in Übung war, erreichte er eine respektable Weite. „Nicht schlecht, oder?“
Sie schnaubte, holte Schwung und platzierte den Haken etwa einen Meter von seinem entfernt.
„Auch nicht schlecht“, sagte Noah, „für ein Mädchen.“
„Amateur. Ich habe den Haken genau richtig platziert. Man muss auf die Windrichtung achten. Ich sitze in Windrichtung von dir, deshalb durfte ich nicht so weit werfen.“
„Damit sich dein Haken nicht mit dem eines Amateurs verheddert“, endete er für sie.
Sie hätte fast gelächelt. „Clary sagt, man darf beim Angeln nicht reden.“
Ein cleverer Schachzug, mit dem Jessie ihn zum Schweigen gebracht hatte. Doch wie sollte er sie für sich gewinnen, wenn er nicht mit ihr sprechen konnte?
Sie saßen eine Weile schweigend da. Jessie strahlte eine gewisse Selbstgefälligkeit aus, was Noah ärgerte. Von einem neunjährigen Mädchen ausgetrickst zu werden, passte ihm überhaupt nicht, auch wenn es seine eigene Tochter war.
Und dann hatte er einen Fisch an der Angel. Vielleicht konnte er sie damit beeindrucken. Stolz hielt er einen schönen, fetten, dreißig Zentimeter langen Barsch hoch.
Jessie warf einen flüchtige Blick auf den Fang, rümpfte die Nase und sagte: „Clary fängt größere Fische.“
„Es ist mir völlig egal, was Clary angelt“, erregte Noah sich, „oder was er für einen Wagen fährt oder was er denkt.“
„Mir aber nicht.“ Jessie sprang auf und holte die Angel ein. „Clary macht nicht so blöde Dinge mit mir, wie im Regen angeln gehen. Er lebt hier und wir können an einem Tag gehen, wenn die Sonne scheint – ach, Mist!“ Die Schnur hatte sich im Seegras verheddert.
Noah
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