COLLECTION BACCARA Band 0287
doch sein.“ Sie sah ihn nicht an, weil sie den leisen Spott in seinen Augen nicht verkraften könnte. Atemlos fuhr sie fort: „Wahrscheinlich ist mir das verflixte Ding aus der Tasche gefallen. Ich habe jedenfalls das Gefühl, dass das Schreiben irgendwo in diesem Zimmer sein muss.“
Nervös schaute sie sich um. Seit ihrem letzten Besuch hatte sich einiges verändert: Connor hatte beeindruckende Diplome an die Wand gehängt, die ihn als erfolgreichen Anwalt auswiesen. Auf seinem Schreibtisch stapelten sich Papiere, die leise raschelten, als eine frische Brise durchs geöffnete Fenster hereinwehte. Ein halb geleerter Kaffeebecher stand daneben. Außerdem lag dort ein aufgeschlagenes Notizbuch, dessen Blätter mit einer schwungvollen Handschrift bedeckt waren.
„Aha, du hast also das Gefühl, dass du hier fündig wirst.“ Connor lehnte sich mit verschränkten Armen lässig gegen die Wand. „Wenn das so ist, sollten wir uns gleich auf die Suche machen. Wo möchtest du anfangen?“
„Hm … beim Aktenschrank, denke ich.“ Sophie wagte einen Blick in seine Richtung und erkannte, dass Connors typischer spöttischer Ausdruck einem ungewöhnlichen Ernst gewichen war.
Höflich trat er zur Seite. Sophie ging in die Hocke und spähte hinter den Schrank, konnte aber nichts entdecken. Unschlüssig richtete sie sich auf und versuchte vergeblich, das schwere Möbelstück von der Wand zu rücken. „Was um Himmels willen lagerst du da drin?“
„Akten“, antwortete er knapp. „Warte, ich helfe dir.“ Ohne Anstrengung zog er den Schrank einige Zentimeter nach vorne, doch außer ein paar Staubflusen befand sich nichts dahinter. „Hier versteckt sich das gute Stück also nicht.“ Mit konzentriert zusammengezogenen Brauen sah er sich um. „Vielleicht hinter dem Bücherbord? Was meinst du?“
Connor nahm sie wohl nicht ernst, was? Vermutlich hielt er die ganze Sache für einen Vorwand, ihn wiederzusehen. Umso wichtiger war es, das verflixte Ding endlich zu finden – nur so könnte sie ihm das hochmütige Lächeln aus dem Gesicht wischen! Sie presste die Wange gegen die Wand, um hinter das Bord zu spähen. Da! In der zentimeterbreiten Ritze zwischen Regal und Mauer steckte etwas, das recht vielversprechend aussah.
Wortlos schob Connor Sophie beiseite und rückte das mächtige Regal nach vorn. Dahinter kam ein weißer Umschlag zum Vorschein. Der Brief!
Mit einem leisen Triumphschrei stürzte Sophie sich darauf. „Da ist er ja!“ Beinahe ungläubig drehte sie den Schatz in den Händen hin und her. „Siehst du? Ich hab’s dir gesagt. Und ich hatte recht. Himmel, mir fällt ein Stein vom Herzen!“ Kleinlaut fügte sie hinzu: „Ach, tut mir leid, dass ich dich beschuldigt habe, den Brief … gestohlen zu haben.“ Mist! Sie spürte, wie sie rot wurde. „So etwas würdest du natürlich nie tun, das weiß ich.“
In diesem Moment wirbelte ein weiterer Windstoß die Papiere auf dem Schreibtisch durcheinander. Rasch sprang Sophie herbei, um sie einzusammeln und mit einem Becher zu beschweren. Dabei entdeckte sie ein Foto neben dem Stapel. Connor musste ihrem Blick gefolgt sein. Blitzschnell nahm er das Bild an sich und ließ es in der Brusttasche seines Hemdes verschwinden. Aber nicht schnell genug.
Sie sahen sich an. Er zögerte, als wolle er etwas sagen. Dann wandte er sich ab und verschwand mit einer gemurmelten Entschuldigung in den Empfangsraum.
Empört schnappte Sophie nach Luft. Connor war verheiratet und hatte ein Kind!
Klar, das hätte sie sich ja denken können! Ein Typ wie er blieb nicht lange allein. Allerdings trug er keinen Ring. Und hatte Cindy nicht vollmundig erklärt, er sei solo? Vielleicht war er geschieden. Hm, bewahrten Männer die Fotos von ihren Exfrauen griffbereit auf?
Also war er ein Betrüger. Ein Betrüger, ein Lügner und ein Schuft, der seine Frau hinterging. Das erklärte auch, weshalb sie oft das Gefühl beschlichen hatte, dass er etwas vor ihr verbarg.
Als sie nun das Fenster schließen wollte, musste sie sich auf den Schreibtisch knien, um den Griff zu erreichen. Gedankenverloren legte sie den Brief auf dem Fensterbrett ab. Gerade als sie sich vorbeugte, fegte ein erneuter Windstoß den Brief nach draußen – der Umschlag landete auf dem Sims.
Dankbar für den langen Schlitz in ihrem Kleid setzte sie sich rittlings auf die Fensterbank und lehnte sich weit hinaus, um nach dem Brief zu greifen. Wieder trug der Wind das Schreiben ein Stück fort, sodass sie es nicht erreichen
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