COLLECTION BACCARA Band 0287
heißem Tee zurück. Als sie die Tasse an die Lippen führte, starrte er auf die aufgeschürfte Haut an ihren Händen und sagte: „Nie ist ein Arzt da, wenn man einen braucht.“
„Nun übertreibst du aber. Wahrscheinlich bin ich etwas wackelig auf den Beinen, weil ich heute das Mittagessen ausgelassen habe. Ich brauche nur eine Scheibe Buttertoast und ein schönes heißes Bad, das ist alles.“
Bei dem samtweichen Blick aus Connors dunklen, ausdrucksvollen Augen hätte Sophie ihm auf der Stelle alles verzeihen können. Sogar, dass er Cindy angelächelt hatte. Falls er allerdings verheiratet war … Rasch verdrängte sie den Gedanken wieder. Dies war nicht der richtige Augenblick, um sich mit einem so beunruhigenden Thema zu beschäftigen.
Also trank sie den etwas zu starken und zu süßen Tee und genoss das Gefühl, dass sich jemand um sie kümmerte. Vielleicht hätte sie schon früher einen kleinen Ausflug auf den Sims unternehmen sollen? Spinnst du jetzt völlig?, schalt sie sich im Stillen. Das musste wohl am Schock liegen.
Forschend sah Connor sie an. „Hör mal, Sophie, offenbar liegt dir sehr viel an diesem geheimnisvollen Brief. Aber wenn man das nicht wüsste, könnte man glatt auf die Idee kommen, du wolltest springen.“
„So ein Quatsch“, gab sie empört zurück. „Ich springe sicher nicht aus dem dritten Stock, wenn ich mich umbringen will. Meinst du, ich bin scharf darauf, mir sämtliche Knochen zu brechen oder zum Pflegefall zu werden?“
Dieses Argument überzeugte Connor. Im Grunde hatte er sowieso nie ernsthaft geglaubt, dass Sophie sich etwas antun wollte. Dazu strahlte sie zu viel Lebensfreude aus. Während er nach nebenan ging und sein Büro abschloss, überlegte er, was er mit ihr anfangen sollte. Keinesfalls wollte er sie allein lassen. Die Notaufnahme im Krankenhaus erschien ihm allerdings nicht dafür geeignet, um sich zu erholen. Ihm fiel ein, dass ihre beiden Mitbewohnerinnen Krankenschwestern waren. Perfekt. Die würden sich um sie kümmern, und er könnte sich diskret zurückziehen.
Als er in ihre Praxis zurückkam, traute er seinen Augen nicht: Sophie war gerade dabei, einen schweren Geranienkübel vom Tisch zu hieven.
„Hey, lass mich das tun!“, rief er und nahm ihr eilig den Kübel aus der Hand. Besorgt stellte er fest, wie zerbrechlich und erschöpft sie wirkte. „Höchste Zeit, dass du nach Hause kommst.“
So wie er sie anblickte, musste sie furchtbar aussehen. Ihr Kleid war eine Katastrophe, ihr Haar vermutlich auch, an den Händen hatte sie zahlreiche Schürfwunden … Außerdem konnte sie nicht aufhören zu zittern.
Entschlossen drückte Sophie ihm sein Jackett in die Hand und hängte ihre Tasche über die Schulter. „Danke für deine Hilfe. Ich beeile mich besser, damit ich die Fähre erwische, bevor das Unwetter richtig losgeht.“
„Du willst die Fähre nehmen? Kommt gar nicht infrage.“
Allmählich verließ sie die Kraft. Sie hatte jetzt wirklich keine Lust, mit ihm herumzustreiten. Andererseits sah sie keine andere Möglichkeit: Auf keinen Fall wollte sie sich eine weitere Abfuhr von ihm einhandeln, deshalb verzichtete sie lieber auf seine Hilfe. Ihr Stolz war angeknackst genug. „Ist schon okay, das schaffe ich. Ein ausgiebiges Bad bringt mich wieder auf die Beine.“
Für den Bruchteil einer Sekunde zögerte Connor, aber das reichte. Sein folgender Protest zählte nicht mehr, denn sie wusste, dass er vor Erleichterung gezögert hatte. Sophie versuchte es mit einem würdevollen Abgang, der allerdings kläglich scheiterte: Sie stolperte gegen Connor, weil sie nur einen Schuh trug. Er packte ihren Arm. „Lass mich dich wenigstens zur Fähre bringen.“
„Nein danke. Ich will dich nicht länger aufhalten. Du hast sicher noch einiges vor. Du musst deinen Tagesablauf nicht ändern, bloß weil ich …“
„Falscher Stolz scheint mir im Moment nicht angebracht, Sophie“, unterbrach er sie mit Nachdruck.
„Na gut“, gab sie seufzend nach. Im Stillen war sie jedoch erleichtert, dass sie sich nicht allein auf den Weg machen musste. „Wenn du darauf bestehst. Das ist sehr nett von dir.“
Hinkend folgte sie Connor zum Lift. Kurz entschlossen zog sie den verbliebenen Schuh auch noch aus und lief barfuß weiter. Unten angekommen, musste sie dennoch ein paarmal innehalten und sich gegen die Wand lehnen. Sie fühlte sich entsetzlich schwach auf den Beinen.
„Ich fahre dich besser selbst nach Hause“, sagte Connor.
„Oh nein, nur keine Umstände.
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