Collection Baccara Band 0294
endlich kommen würde?
„Reiß dich zusammen“, murmelte sie, nahm ihre Armbanduhr ab und legte sie auf den Werkzeugkasten. „Er wird da sein, wenn er da ist, und nicht eine Sekunde früher.“
Sie begann, das verschmutzte und arg ramponierte Bleiglasfenster auf ihrem Werkstatttisch genauer zu untersuchen. Ihr geübter Blick glitt an den Bleiruten entlang, die die einzelnen bunten Glasstücke miteinander verbanden, und sie erkannte sofort, an welcher Stelle sie beginnen konnte.
Vorsichtig setzte Emily die heiße Spitze des Lötkolbens auf die Stelle, an der drei Glasstücke miteinander verbunden waren, und schmolz die Rute an der Nahtstelle. In der linken Hand hielt sie einen kleinen Spachtel, mit dem sie das überschüssige Blei abkratzte. Ohne Hitzezufuhr kühlte das Metal innerhalb weniger Sekunden wieder ab und erhärtete.
Sie wiederholte den Vorgang so oft, bis sich jedes einzelne bunte Glasplättchen vom Bleirahmen gelöst hatte. Vor über hundert Jahren war dieses Fenster auf ebenso umständliche Art und Weise von einem längst vergessenen Künstler zu diesem schönen Blumenmuster zusammengefügt worden.
Es dauerte mehrere Minuten, bis sie die Bleinaht gelöst hatte, die ein besonders schönes, grün geriffeltes Glasstück einfasste. Sie stellte den Lötkolben zurück in den extra dafür angefertigten Ständer und schob vorsichtig eine dünne Klinge in den Spalt zwischen Glas und Metall . Behutsam löste sie das kostbare Stück aus der Fassung und hielt es vor einen Lichtschaukasten, mit dessen Hilfe sie selbst winzige Risse erkennen konnte. Es hatte keinen Sprung, nicht mal einen Kratzer.
„Vier geschafft. Jetzt fehlen nur noch siebzig bis neunzig Teile“, murmelte sie und nummerierte das Glas mit einem Spezialstift. Sie ordnete die vier Glasstücke auf einer Pergamentschablone an, die genauso groß war wie das Fenster. Jedes kleine Teil musste exakt an seinem Platz liegen, und auch der Abstand durfte nicht variieren. Nur so konnten die Einzelteile später wieder richtig zusammengefügt werden.
„Darf ich Sie kurz stören, Miss Raines?“
Emily sah vom Tisch auf und lächelte den Elektriker an. „Kein Problem. Was ist denn?“
„Es geht um die Verkabelung des Tischlerraumes. Wie viele Steckdosenleisten sollen dort gelegt werden? Zwei, oder lieber vier?“
Sie hatte keine Ahnung. „Was würden Sie mir denn raten?“
„Ich glaube, vier wären besser.“
„Super, dann bauen Sie vier ein.“
„Okay“, sagte er und machte sich eine kurze Notiz. „Ich schau mal nach, ob es noch andere offene Fragen gibt. Dann muss ich Sie nicht noch mal stören.“ Er blätterte in seinem Notizbuch.
„Ich dachte, du wolltest heute eine Unterrichtsstunde für den richtigen Umgang mit Bodenschleifmaschinen nehmen?“, ertönte Coles Stimme von der Tür. Emily war so beschäftigt gewesen, dass sie gar nicht gemerkt hatte, wie er den Raum betrat.
„Guten Morgen“, begrüßte sie ihn. Erneut fiel ihr auf, wie unglaublich gut er aussah. Man könnte ihn glatt für ein Model halten, die Kakihose und das hellblaue Hemd standen ihm wirklich gut.
„Morgen“, erwiderte er und legte ihre Autoschlüssel neben den Werkzeugkasten.
„Sonst habe ich erst mal keine weiteren Fragen“, verabschiedete der Elektriker sich hastig und ging aus dem Raum.
„Sie können mich gern wieder ansprechen, wenn noch etwas ist“, rief sie ihm hinterher.
Emily wandte sich wieder an Cole. „Nachdem ich heute Morgen erst einmal die Riesenpfütze im Büro aufgewischt habe, wollte ich anfangen den Boden zu schleifen, aber leider ist er dazu noch viel zu feucht. Damit muss ich wohl noch etwas warten. Laut Wetterbericht wird es morgen Nachmittag endlich aufhören zu regnen. Bis dahin kann ich das Schleifen vergessen, und auch die Malerarbeiten werden wohl nicht vorankommen. Und mit dem Schaumgebäck wird’s vorerst wohl auch nichts.“
„Schaumgebäck?“
„Ja, das macht man aus geschlagenem Eiweiß und Zucker. Man nennt es auch Baiser oder Meringue“, erklärte sie und lehnte sich gegen die Arbeitsplatte. „Aber bei dieser hohen Luftfeuchtigkeit sollte man gar nicht erst versuchen, Eiweiß aufzuschlagen. Es wird einfach nicht fest.“
„Da habe ich ja schon wieder was gelernt“, meinte Cole, während er die Elektriker beobachtete, die im angrenzenden Raum ein gelbes Kabel von einer großen Rolle zogen. „Bei dieser Feuchtigkeit sollte man besser auch mit dem Strom aufpassen. Oder?“
„Das Kabel wird heute nur verlegt.
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