Collection Baccara Band 0320
hatte sich einen edlen Ritter gewünscht, der sie rettete. Aber da war sie achtzehn gewesen. Damals hatte Paul ihr gerade eröffnet, dass sechsjährige Zwillinge nicht das waren, was er vom Leben wollte. Und all die Männer nach ihm waren auch nicht besser gewesen.
„Ich warte doch lieber auf den Abschleppwagen.“
Der Chauffeur blieb stehen und schaute sie direkt an. In seinem Blick lag etwas, das sie beruhigte. Aber der Serienmörder Ted Bundy sollte ja auch nette Augen gehabt haben.
„Hören Sie, machen Sie sich keine Sorgen. Ich bin registriert.“ Der Fahrer reichte ihr eine Visitenkarte. Auf der Karte des Unternehmens B ella Notte Limousine Services stand neben einer staatlichen Identifikationsnummer auch der Name des Fahrers: Ray King.
„Danke.“ Sarah sah zu dem anderen Mann, der sie im Gegensatz zum Chauffeur beunruhigte.
Er kehrte zu ihr um und blieb in diskretem Abstand stehen. „Harris Davidson“, stellte er sich vor und streckte die Hand aus.
„Sarah Malcolm.“ Sie ergriff seine Hand und schüttelte sie dreimal. Doch selbst als sie losgelassen hatte, kribbelte ihre Handfläche von der Berührung. Seine Fingernägel waren manikürt. Trotzdem meinte sie, Schwielen an seinen Händen gespürt zu haben. Ein seltsamer Widerspruch.
„Nachdem wir jetzt alte Freunde sind, können wir doch fahren, oder?“, fragte er.
Schwang da Sarkasmus in seiner Stimme mit? Sarah war sich nicht sicher. Daher lächelte sie ihn an wie ihren Steuerberater, wenn er ihr unangenehme Neuigkeiten mitteilte.
„Natürlich. Danke, dass Sie mich mitnehmen.“ Sie stieg in den Fond der Limousine und bemerkte, dass die Trennscheibe zum Fahrerabteil hochgefahren war. Hatte der Chauffeur eigenmächtig die Entscheidung getroffen, anzuhalten?
Harris setzte sich ihr gegenüber, und schon fuhren sie die Orange Avenue entlang. Orlando war eine hübsche Stadt, vor allem im Herbst. Die Sommerhitze war vorüber, und Halloween stand vor der Tür. Sarah hatte bereits angefangen, ihr Haus zu dekorieren.
„Danke, dass Sie angehalten haben.“
„Gern geschehen“, sagte er.
Offensichtlich hatte er nicht die Absicht, sich mit ihr zu unterhalten. Das war Sarah nur recht. Sie würde seinen Wunsch respektieren. Verstohlen schaute sie auf die Uhr und betete, dass sie sich nicht verspätete.
Was würde Mom in so einer Situation machen? überlegte sie. Sie wusste es wirklich nicht. Sarah hatte sich stets bemüht, nicht so wie ihre Eltern zu sein. Deshalb war es doppelt schwer für sie gewesen, in deren Fußstapfen zu treten.
Doch darüber wollte sie jetzt nicht nachdenken.
„Wohnen Sie in der Gegend?“, erkundigte sie sich. Sie hasste Stille, vor allem in Gesellschaft von Fremden. Nervöses Plappern war einer ihrer Fehler, und ihr Bruder machte sich deshalb gern darüber lustig.
„Nein. In Kalifornien“, erwiderte Harris.
Sie sank tiefer in den Ledersitz und schlug die Beine übereinander. Als ihr auffiel, dass Harris sie beobachtete, zog sie schnell ihren Rocksaum zurecht.
Sie fand ihre Knie zu dick. Es spielte keine Rolle, dass sie Größe vierunddreißig tragen konnte – ihrer Meinung nach sahen ihre Knie so aus, als könnten sie ebenso gut zu einem Elefanten gehören. Harris’ Blick machte sie verlegen.
„Wo? San Diego, Los Angeles oder San Francisco?“, fragte sie.
Er schaute endlich weg und räusperte sich. „L. A. Genauer gesagt Bel Air.“
„Tatsächlich?“
Er neigte den Kopf und zog eine Augenbraue hoch. Sarah spürte, dass er in Ruhe gelassen werden wollte. Doch sie konnte einfach nicht anders – er hatte etwas an sich … Seine demonstrative Unnahbarkeit reizte sie, weiterzureden und ihm keine andere Wahl zu lassen, als ihr zu antworten.
„Kennen Sie irgendwelche Filmstars? Ich wollte schon immer mal hin, aber ich hatte bis jetzt nie die Gelegenheit.“
„Nein, ich kenne keine Filmstars.“ Er nahm das Wall Street Journal vom Sitz neben sich und schlug es auf.
Es war ein Wink. Ein ziemlich deutlicher, dachte Sarah. Er hielt die Zeitung so hoch, dass sie sein Gesicht nicht mehr sehen konnte. Also schaute sie aus dem Fenster; sie näherten sich der Bank. Nicht mehr lange, und sie würde das Schicksal des Restaurants in Mr Tuckers Hände legen. Was, wenn er die Aufstockung ihres Kredits ablehnte?
„Leben Sie gern dort?“, fragte sie, um sich abzulenken.
„Ich denke schon“, murmelte Harris hinter der Zeitung.
Sarah liebte Herausforderungen. Nach ein paar Minuten erkundigte sie sich weiter:
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