Collection Baccara Band 0321
erschöpft ins Bett gefallen war. Im Bademantel, die Haare noch feucht vom Duschen, stopfte sie so viele Pullover und Hosen wie möglich aus dem Kleiderschrank in ihren Koffer.
Das Packen erinnerte sie an ihre Jahre als Teenager, in denen sie ständig umgezogen war. Die Sozialarbeiter hatten ihr versichert, dass die Umzüge nicht ihre Schuld waren. Ihre Pflegeeltern hatten sie geliebt, doch die Umstände waren gegen sie gewesen. Eine Scheidung, der Verlust des Arbeitsplatzes, ein Umzug.
Vom Verstand her wusste Nicola, dass die Entscheidungen ihrer Pflegefamilien, sie nicht zu behalten, nichts mit mangelnder Zuneigung zu tun gehabt hatten, trotzdem bereitete ihr die Erinnerung daran noch Magenschmerzen. Sie hatte immer Angst gehabt, nicht gewollt zu sein.
Dieses Mal ist es anders, sagte sie sich. Abe wollte, dass sie blieb.
Doch wenn er die Wahrheit wüsste, würde er es nicht mehr wollen.
Ihr Magen verkrampfte sich wieder. Sie versuchte, es zu ignorieren, aber ihre Angst und Unruhe waren Gift für ihren ohnehin empfindlichen Magen. Sie sank in einen Sessel, biss ein Stückchen von einem Cracker ab und nippte an ihrem Kräutertee.
Dann blickte sie sich in dem wunderschön eingerichteten Zimmer um und dachte an andere kleine Zimmer, in denen sie geschlafen hatte. Sie bohrte ihre nackten Zehen in den flauschigen Teppich und seufzte angesichts der Kombination von Luxus und Klasse.
Auf Hochglanz polierte Kirschholzmöbel, ein Tisch, ein kleiner Schrank, in dem Computer, Faxgerät und Drucker untergebracht waren, dazu eine Chaiselongue in glänzendem gelbroten Baumwollsatin, Gardinen aus darauf abgestimmtem Stoff, die Privatsphäre erlaubten oder, wenn sie zurückgezogen waren, die Sonne durch die hohen Fenster fallen ließ.
Das Schönste war das breite Bett mit einer Matratze, die sogar Goldlöckchen aus dem Märchen von Robert Southey für gerade richtig befunden hätte. Wer würde sich hier nicht wie im Himmel fühlen?
Nicola lachte leise in sich hinein. Crofthaven war für ein Mädchen aus dem Armeleuteviertel im ländlichen Georgia eine vollkommen andere Welt. Der Luxus in diesem Haus war fast sündhaft. Die Angestellten erfüllten ihr jeden Wunsch. Es war ihr jetzt noch peinlich, wenn sie sich daran erinnerte, wie beleidigt die Haushälterin gewesen war, als sie sich einmal ihr Frühstück selbst zubereitet hatte.
Eine Frau konnte sich daran gewöhnen, so verwöhnt zu werden. Nicht aber Nicola. Sie hatte nie vergessen, dass Crofthaven nur ein zeitlich befristeter Abschnitt in ihrem Leben war.
Wie so viele Dinge in ihrem Leben. Vater auf Zeit, Mutter auf Zeit, Familien auf Zeit. Das hatte sich in ihrer Karriere fortgesetzt. Für Nicola lag der Reiz von Crofthaven nicht in dem Luxus. Es war die Geschichte des Hauses. Generationen von Danforths hatten hier gelacht und geweint. Sie hatte das Gefühl, den Duft der Familie einzuatmen.
Auch wenn Abe meinte, als Vater versagt zu haben, er hatte seinen Kindern ein Zuhause und einen Sinn für Tradition gegeben. Sie wussten, wer sie waren. Sie wussten, was es bedeutete, ein Danforth zu sein, und egal, wo sie waren, sie waren nie wirklich allein.
Nicola war eine lange Zeit allein gewesen. Sie legte die Hand beschützend auf ihren Bauch. Jetzt nicht mehr. Ein Kind wuchs in ihr heran, und sie würde dafür sorgen, dass sie ihrem Baby alles gab, was es brauchte.
Ein Klopfen unterbrach ihre Gedanken. Wahrscheinlich war es die Haushälterin. „Herein.“
Abe betrat das Zimmer, und sie sah ihn überrascht an. Ihr Herz machte einen Satz. Abe war groß, selbstbewusst, stark und klug und besaß all die Eigenschaften, die sie sich bei einem Mann wünschte.
Er betrachtete sie, und sofort fühlte sie sich underdressed. Abe war ein Mann, der von ihr zu jeder Zeit ein gepflegtes Äußeres erwartete. Sie bemerkte seinen Blick auf den Koffer, und ihr wurde flau im Magen.
„Es ist absurd, auszuziehen“, sagte er. „Wenn du mit mir nach Washington gehst …“
„Was ich aber nicht tun werde …“
„Auch dann gibt es keinen Grund, sofort auszuziehen.“ Er machte eine Pause. „Gefällt dir Crofthaven so wenig?“
„Im Gegenteil. Ich liebe es. Es ist wunderschön.“
Er zuckte mit den Schultern. „Manchmal erscheint es mir etwas kalt. Die Kinder haben die Förmlichkeit, die hier herrscht, vermutlich gehasst. Bei meinem Bruder und mir war es jedenfalls manchmal so.“
„Ich finde Crofthaven fantastisch“, versicherte sie ihm. „Das liegt nicht nur an der
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