Collector
tragend.
»Oder haben Sie zufällig einen Flammenwerfer dabei, den ich schnell draufhalten kann?«
»Nein, Doc.« Faye grinste. Professor Nimoy Ingstrabur, untersetzt und mit einem braunen Backenbart, wie er vor eintausend Jahren modisch gewesen war, gefiel es, unfreundlich zu sein. Er erfüllte nahezu jedes Klischee, das man über Militärärzte verbreitete, denn er war ein Zyniker und Klugscheißer der ruppigsten Sorte. Genau ihr Kaliber. »Sie wissen noch, dass wir ein Date haben?«
»Wir zwei? Sie meinen, der Scheintote und wir.« Er tauchte vor ihr auf und versuchte, die Vorspiegelung der schlechten Laune aufrechtzuerhalten. »Ich habe schon alles in ihn hineingepumpt, was man braucht. Ist eine Frage von Minuten, bis er die Lider hebt.« Er schob einen Vitalwertmonitor so, dass beide draufschauen konnten, tippte etwas ein und bekam Lyssanders Werte angezeigt. »Alles bestens. Aber das Interim-Syndrom macht mir Kopfschmerzen und ihm Probleme.« Er zeigte auf für Faye kryptische Kurven. »Lassen Sie es mich so sagen, dass Sie es verstehen: nicht gut.«
Faye musste lachen. »Danke, ich verstehe. Und was genau heißt das?«
»Dass es ihm sein Hirn zerfetzen wird, wenn wir zu lange auf das Neuroleptikum verzichten. Die Rezeptoren und Synapsen ...« Er bemerkte ihren zunehmend ratlosen Ausdruck. »Er wird unwiederbringlich senil. Innerhalb von wenigen Stunden«, kürzte er ab. »Er braucht eigentlich einen implantierten Injektor, der das Zeug in regelmäßigen Abständen freisetzt. Die Abhängigkeit ist enorm hoch.«
Aber je weniger er davon hat, desto besser ist er, wenn es um seine Kräfte geht. Faye hatte ansatzweise ein schlechtes Gewissen, doch es gab keine Alternative dazu. Außerdem schuldet er Kris etwas für die letzten fünfundzwanzig Jahre, sagte sie sich, um sich selbst zu beschwichtigen. »Wecken wir ihn und fragen ihn selbst«, bat sie.
»Sagen Sie mutabor.« Ingstrabur hackte auf die Tastatur unter dem Monitor ein, mit der er die medizinischen Geräte in der Kammer steuerte.
»Was?«
»Kennen Sie das Märchen nicht? Kalif Storch?« Er rief ein Untermenü auf, eine Abfrage blinkte auf. »Damit sie sich von Störchen in Menschen zurückverwandeln? Nein?« Er bestätigte die Abfrage, und ein Summen erklang. »Egal. Ich war so frei, ihn wieder zu einem lebenden Wesen zu machen. Eigentlich hat er mehr von Lazarus als von Kalif Storch.« Er schlenderte los und bot ihr den Arm als Geleit an. »Wenn wir in der Isolierstation angekommen sind, müsste er erwacht sein. Soeben wurde die entscheidende Spritze gesetzt.«
Faye war ihm dankbar, dass er sie mit dem Geplauder ablenkte. Die Ungeduld, die sie seit zwei Tagen mit sich herumschleppte, konnte sie kaum noch ertragen. So schnell hatten sich die Vorzeichen gewendet: Nun muss der Vater den Sohn suchen.
Sie passierten die Schleuse und standen am Bett von Anatol Lyssander, der ein blassblaues OP-Hemd trug. Darunter hoben sich Elektroden ab, die ihre Werte per Sender an die Geräte übermittelten. Die Augen bewegten sich unter den Lidern, er atmete schnell und noch an der Grenze des Unbedenklichen; die Anzeigen der Überwachungsgeräte leuchteten grün.
Kris gleicht seinem Vater sehr. Faye betrachtete die entspannten Züge. »Kann ich ihn ansprechen?«
»Können Sie.« Ingstrabur begab sich an eine Konsole und gab den Geräten neue Anweisungen. »Für den Notfall.« Er sah zur Decke, wo sich zwei Bot-Arme aus der Ruheposition herabsenkten und über dem Patienten verharrten, als lauerten sie auf etwas.
Faye beugte sich leicht über den Mann. »Mister Lyssander? öffnen Sie die Augen, bitte.«
Er reagierte nicht.
»Mister Lyssander, bitte. Ich brauche Sie und Ihre Gabe! Ihr Sohn ist entführt worden, und Sie sind der Einzige, der ihn...«
Jetzt riss er die Augen weit auf und starrte zu den Bot-Armen hinauf, öffnete den Mund zu einem lautlosen Schrei. Die Halsadern schwollen an, der Kopf drückte sich tief ins Kissen, und die Finger schlugen sich ins Laken. Zu hören war nicht mehr als ein helles, leises Fiepen. Die Pupillen pulsierten im Herzschlag; die gesprungenen, verfärbten Zähne erinnerten sie an uralten Kunststoff, der in der Sonne gelitten hatte.
Dann hustete Lyssander und richtete sich ruckartig auf. »Ich ...« Er sah sich orientierungslos um. »Das ist nicht die Cortés?« Er bemerkte die Bot-Arme über sich und stieß einen Schrei aus, rutschte nach hinten. »20T! 20T!«
Ingstrabur ließ die Bots sich zurückziehen, damit die Panik
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