Colorado Saga
daraufhin zurückzogen, nahm McKeag Tönerne Schale das zweite Gewehr aus der Hand und tötete ein Pferd. Der Reiter fiel, verhedderte sich in den Zügeln, und da die erste Flinte bereits wieder geladen war, hätte McKeag ihn unschwer erschießen können, begnügte sich klugerweise aber damit, ihm einen Schuß ins Bein zu verpassen. Nunmehr entstand lärmendes Durcheinander, dann jedoch machten sich die Kiowa aus dem Staub. Sie hatten die Perlen, sie hatten den Whisky. Sie hatten versucht, den Händler zu töten, aber das konnten sie auch ein anderes Mal erledigen. Also halfen sie dem Verwundeten auf das Pferd des Toten und ritten nach Süden.
Erst als die Indianer ganz aus dem Blickfeld verschwunden waren, entdeckten sie bei Jacques die einzige Blessur, die ihnen zugefügt worden war. Ein ziellos abgeschossener Kiowa-Pfeil hatte ihn an der Hand getroffen und ihm die Kuppe des kleinen Fingers abgeschnitten. Tönerne Schale suchte die Pfeilspitze, die schärfer als ein Messer war, und McKeag bohrte ein kleines Loch durch den Schaft, damit Jacques sie an einem Riemen um den Hals tragen konnte.
Ein richtiges Kind war er noch - und war doch schon zweimal verwundet worden einmal durch das Messer eines Weißen und einmal durch den Pfeil eines Indianers.
Pasquinel fühlte sich so wohl in Saint Louis, daß er seinen Aufenthalt verlängerte. Lise hatte ihn mit der Nachricht überrascht, daß sie das Steinhaus an der Rue des Granges verkauft habe, um statt dessen ein großes Backsteinhaus oben am Berg zu bauen, und als Pasquinel protestierte, kein Mensch werde so hoch hinaufklettern, nur um der Familie einen Besuch abzustatten, beruhigte sie ihn: »Bald werden alle wichtigen Familien hier oben wohnen. Die Presbyterianer bauen sogar ihre Kirche hier.«
Das Leben mit Lise war weitaus schöner, als er es sich in der Erinnerung vorgestellt hatte, und manchmal fragte er sich, wieso er eigentlich ein so angenehmes Heim aufgegeben und sich mit den Entbehrungen in der Prärie begnügt hatte. Hermann Bockweiß machte mit seinem Silber gute Geschäfte, Pasquinel bemerkte jedoch, daß der vorsichtige Deutsche mit seinen Gewinnen immer noch Grundstücke erwarb, deren Wert steigen würde, sobald sich die Stadt ausdehnte. Diese Möglichkeit hatte Bockweiß auch ins Auge gefaßt, als er seinen Schwiegersohn beiseite nahm und zu ihm sagte: »Warum bleibst du nicht endgültig hier? Du wirst langsam älter. Dein Sohn braucht dich.«
Pasquinel antwortete, es sei sein Beruf, in die Berge zu gehen und Felle einzuhandeln. »Nein«, widersprach Bockweiß. »Dafür hast du einen Partner. Überlaß ihm den Tauschhandel.«
Pasquinel erwog diesen Gedanken sorgfältig, denn es steckte tatsächlich Logik darin. McKeag mit seinen Sprachkenntnissen war jetzt der Handelsexperte von ihnen beiden, und bald würde auch Jacques alt genug sein, um ihm zu helfen. Tönerne Schale? Die spielte keine große Rolle. Eine Indianersquaw, die gelernt hatte, mit einem weißen Fellhändler zu leben, brauchte niemals lange zu warten, bis der nächste kam, und außerdem brauchte McKeag früher oder später auch eine Frau.
Es sprach also alles dafür, daß er in Saint Louis blieb. Zuletzt entschied er sich aber trotzdem dagegen. Im Dezember saß er wieder in seinem Kanu und fuhr gegen Westen, und als er die Rattlesnake Buttes erreichte, gab es das übliche freudige Wiedersehen, und sogar der kleine Jacques war wieder glücklich.
McKeag staunte über die Mühelosigkeit, mit der Pasquinel von einer Familie zur anderen überwechselte, ebenso aber über die Bedenkenlosigkeit mit der er das bewerkstelligte. Wenn er Pasquinel allerdings mit anderen Händlern verglich, die ebenfalls indianische Ehefrauen hatten dann mußte er zugeben, daß Pasquinel dieses Problem mit weitaus größerem Anstand bewältigte als diese. Die anderen vernachlässigten unweigerlich eine ihrer beiden Familien. Nicht so Pasquinel. Er behandelte beide vollkommen gleich. Er liebte Lise und war stolz, mit welchem Geschick sie seinen Haushalt regierte, während er Tönerne Schale nach seiner ersten Enttäuschung mit dem Gold als die Persönlichkeit akzeptierte, die sie war. Er gab sich Mühe, ein guter Vater zu sein, und bewies seinen Halbblutkindern in gleichem Maße Zuneigung wie seinen weißen Sprößlingen.
Während eines seiner Besuche bei seiner Familie in Saint Louis im Herbst 1817 faßte er einen folgenschweren Entschluß. Da er sah, daß Bockweiß in New Orleans und den kleineren Ansiedlungen
Weitere Kostenlose Bücher