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Colorado Saga

Titel: Colorado Saga Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James A Michener
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Riesenschneewehe, ohne ein einziges Mal den Himmel zu sehen. Zu jener Zeit dachte er zum erstenmal in seinem Leben ernsthaft an den Tod. In den vergangenen sieben Monaten hatte er keinen Menschen zu Gesicht bekommen, und nun, in der Dunkelheit, wagte er es nicht einmal, Selbstgespräche zu halten. Als könne der Klang einer menschlichen Stimme seine Welt zum Einsturz bringen.
    Ich kann noch viele Jahre lang Fallen stellen, dachte er. Ich suche keinen Streit mit den Indianern. Ich glaube kaum, daß sie mich umbringen werden, auch wenn sie es könnten. In einem Winter fällt aber vielleicht besonders viel Schnee. Wie allerdings noch mehr Schnee fallen konnte als in jenem Winter, war schwer vorstellbar. Ein Mann, der diesen Winter überstand, konnte praktisch alles überstehen.
    Der Schnee wird immer weiter fallen und die ganze Welt bedecken. Es wird weder Wasser noch Nahrung noch Luft geben. Wieviel Wasser es doch in Schottland gegeben hatte! Diesem Gedanken hing er nach. Dann jedoch drängte sich seine größte Sorge wieder in den Vordergrund: keine Luft.
    Er fühlte sich plötzlich eingeschlossen, bildete sich ein, die Luft sei bereits verbraucht und er müsse ersticken. Er sah sich tief unter einer riesigen Schneewehe, sah den gegrabenen Tunnel zugeschneit und wurde von einer Angst geschüttelt, die stärker war als alles, was er bisher erlebt hatte. Wie im Wahnsinn stürzte er sich in den Tunnel und begann, hektisch mit beiden Händen zu wühlen, den Schnee hinter sich werfend wie ein Hund, der sich ein Loch im Erdboden scharrt. Mit übermenschlicher Anstrengung, keuchend wie ein Erstickender nach Luft ringend, brach er aus seinem winterlichen Gefängnis hervor und stellte fest, daß sich der Schneesturm inzwischen gelegt hatte und er keine Angst mehr zu haben brauchte.
    Allein, wie nur wenige Menschen jemals allein gewesen waren, stand er am Eingang seines Tunnels und betrachtete seine Welt. Die Sonne ließ die Schneekristalle glitzern. Am Himmel war weder eine Wolke noch auch nur ein einziger Vogel zu sehen. Keine Bäume, keine Tierspuren, kein Laut. Nur Schnee und Luft, kalte, klare, frische Luft, von einem Horizont zum anderen.
    Augenblick mal! Weit im Westen, in großer Ferne, erhob sich der schattenhafte Umriß des großen Berges, und an seiner Flanke klomm mit nie erlahmender Geduld der kleine Steinbiber empor. »Ahhhh!« McKeag stieß einen unartikulierten, beinahe unmenschlichen, langgezogenen Schrei aus. »Kleiner Biber!«
    Er hatte in seinem Leben so viele Biber erschlagen, hatte so viele Felle nach Saint Louis geschleppt, und doch kletterte dort oben sein einziger Freund auf der ganzen Welt. Weder die Sonne noch die Sterne, noch die Flüsse, noch die Bäume waren seine Freunde - nur dieses kleine Steintier da oben.
    Den ganzen Winternachmittag lang beobachtete er den Biber, und als das Tageslicht schwand und die Berge lange, bunte Strahlenfinger ausschickten, hätte er den Einbruch der Dunkelheit am liebsten verhindert. Aber die Sterne kamen hervor, das Licht erlosch, und der Berg verschwand. Während die Sterne immer heller strahlten, blieb er noch eine Weile in der Abendstille stehen.
    Es war eine Nacht von überwältigender Schönheit, so still, daß man das Fallen einer einzigen Schneeflocke gehört hätte. Wenn er jetzt schlafen wollte, mußte er durch den Tunnel zurückkriechen, das wußte er, denn alles andere hätte den Tod bedeutet. Trotzdem zögerte er. Die majestätische Kuppel der Nacht senkte sich auf die Erde, die Stille wurde immer tiefer.
    Sie endete mit einem Schlag. Ein Schrei ertönte, ein Schrei aus allertiefster Seele: »O Gott! Ich bin so furchtbar allein!« Es war die Stimme Alexander McKeags, neunundvierzig Jahre alt, auf ewig aus seiner Heimat Schottland verbannt, freiwilliger Einsiedler der Prärie.
    Er hörte seine eigene Stimme, als wäre es die eines Fremden. Er lauschte, weigerte sich, die Bedeutung des Schreis zu erkennen, und stieg nach einer Weile gehorsam in den Tunnel und seine dunkle Höhle zurück.
    In jenem Frühling sagte der Trapper, der bei ihm die Felle abholte, zu ihm: »Du solltest auch zu unserem großen Treffen kommen.«
    »An Saint Louis liegt mir nichts.«
    »Nein! Bear Lake, drüben beim Snake River.«
    Im Frühsommer kam eine weitere Gruppe Trapper vorbei, die ihre Felle statt nach Saint Louis westwärts brachten. »Wohin wollt ihr mit euren Fellen?« fragte McKeag.
    »Zum Treffen«, antworteten die Männer. »Da sind immer britische Käufer aus

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