Colours of Love - Entblößt: Roman (German Edition)
einfach weil ich das Gerede nicht noch weiter anheizen wollte. Er hält sich zwar dran, ruft mich jedoch sehr regelmäßig für eine »Besprechung« zu sich. Und den Anweisungen des Chefs kann ich mich einfach nicht widersetzen, denke ich lächelnd und seufze, als ich das vertraute Kribbeln im Bauch spüre.
Es könnte eigentlich alles perfekt sein – wenn da nicht immer noch dieser letzte Schatten des Zweifels wäre, den ich einfach nicht loswerde. Denn selbst wenn ich das Gefühl habe, Jonathan jetzt viel näher zu sein als noch vor ein paar Wochen, und er auch sehr viel mehr Nähe zulässt, spüre ich doch, dass da noch immer ein Teil von ihm ist, der sich mir verschließt. Dieser Teil ist weiterhin auf der Flucht vor Gefühlen oder irgendwelchen Zugeständnissen, und die Angst, dass er die Oberhand gewinnen könnte, ist geblieben.
»Wie sieht’s denn mit der Wohnung aus?«, will Hope wissen. »Hast du schon eine gefunden?«
Ich verziehe schuldbewusst das Gesicht, aber das kann sie ja zum Glück nicht sehen. »Nein. Aber ich habe, ehrlich gesagt, auch noch gar nicht wirklich gesucht.« Ich könnte behaupten, dass ich noch keine Zeit dazu hatte, aber die Wahrheit ist, dass ich gar keine will.
Mein Zimmer in Islington ist günstig und zweckmäßig und mein Rückzugsort, wenn ich wirklich mal von Jonathan getrennt bin. Im Moment bin ich aber die meiste Zeit bei ihm in seiner Villa in Knightsbridge, und wenn es nach mir ginge, dann bräuchten wir daran überhaupt nichts zu ändern. Ich könnte mir zwar jetzt von meinem Gehalt locker eine kleine Wohnung in einer halbwegs anständigen Gegend leisten, aber solange ich nicht wirklich weiß, wie das mit Jonathan und mir weitergeht, kommt es mir zu endgültig vor, mir eine einzurichten.
Denn eins ist mir klar geworden: So toll ich den Job bei Huntington Ventures finde – sollte die Beziehung zwischen Jonathan und mir schief gehen, kann ich nicht bleiben. Dann müsste ich weggehen, auch wenn das beruflich das Dümmste wäre, was ich machen kann. Aber ich könnte es nicht ertragen, ihn jeden Tag zu sehen, und würde fliehen – genau wie die vielen Frauen vor mir, die auch in ihn verliebt waren, aber anders als ich keine Chance hatten, an ihn heranzukommen. Wenn schon sie so gelitten haben, dass sie nicht in seiner Nähe bleiben konnten, dann mag ich mir gar nicht ausmalen, wie es mir geht, wenn das mit ihm und mir nicht klappt.
»Hope, ich muss jetzt Schluss machen«, sage ich, als die Fahrstuhltüren sich im achten Stock wieder öffnen. »Ich ruf dich am Montag noch mal an, und dann reden wir in Ruhe, ja?«
»Wieso erst am Montag?«, fragt sie irritiert, und mir fällt siedend heiß ein, dass sie die wichtigste Neuigkeit ja noch gar nicht weiß.
»Ich begleite Jonathan übers Wochenende auf den Familiensitz seines Vaters. Dort findet ein Wohltätigkeitsball statt, und wir bringen seine Schwester Sarah hin und bleiben dann dort.«
»Wow!« Hope ist begeistert. »Wie spannend! Du unter einem Dach mit dem englischen Hochadel – da wäre ich zu gerne Mäuschen!« Sie lacht, aber ich stimme nicht ein. Ich find’s nämlich gar nicht spannend, sondern eigentlich ziemlich beängstigend.
»Ich melde mich wieder und erzähl dir alles, versprochen«, erkläre ich ihr und beende das Gespräch, bevor sie mir noch mehr Fragen stellt, auf die ich noch keine Antwort habe.
Ich habe keine Ahnung, was mich auf Lockwood Manor erwartet oder wie ich mich schlagen werde, aber ich spüre instinktiv, dass es ein wichtiger Besuch ist. Vielleicht werde ich Jonathan erst wirklich begreifen, wenn ich ihn dort erlebt habe. Was meine Nervosität nur noch schlimmer macht.
Zum Glück wird Sarah auch da sein. Jonathans Schwester ist mir eine gute Freundin geworden, und sie wird mir sicher helfen, mich nicht zu sehr zu blamieren.
»Grace?«
Ich habe mein Büro schon fast erreicht, als Indira Ambani mich aufhält. Sie steht im Flur vor dem Sekretariat und winkt mich zu sich, und da sie die Leiterin dieser Abteilung ist, laufe ich schnell wieder zurück zu ihr.
Sie ist Ende Vierzig und hat langes schwarzes Haar und braune Augen, die ihre indischen Wurzeln verraten. Ihre kühle, ruhige Art gefällt mir, sie bleibt immer geduldig, aber dadurch ist es auch oft schwer, sie wirklich einzuschätzen.
»Wie ist das Gespräch mit Mr Leibowitz gelaufen?«, will sie wissen, und ich berichte ihr kurz von den Fortschritten des Projekts und den zeitlichen Vereinbarungen, die ich mit ihm getroffen habe.
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