Colours of Love - Entblößt: Roman (German Edition)
Verdammt. Jetzt muss ich mir schnell was einfallen lassen, wenn ich das mit dem Waschen und Umziehen noch schaffen will, bevor wir sie begrüßen müssen.
Die Gruppe unterhält sich, und die meisten achten nicht auf uns. Nur eine blonde Frau in einem figurbetonten marinefarbenen Kleid mit auffälligen weißen Säumen und einem von diesen Hüten auf dem Kopf, die eigentlich keine sind, weil sie nur aus ein paar Federn und bunt bezogenen Drähten bestehen, hat die Hand über ihre Augen gelegt, um sie vor der Sonne zu schützen, und blickt in unsere Richtung, winkt uns dann.
»Gibt es hier eigentlich eine Hintertür?«, frage ich Jonathan, denn jetzt kommt die Frau mit entschlossenen Schritten auf uns zu.
»Keine, die du noch erreichen könntest, bevor Imogen hier ist«, sagt Jonathan trocken und lächelt über meinen erschrockenen Gesichtsausdruck. »Du siehst toll aus, Grace – mach dir nicht so viele Sorgen.«
Er hat gut reden, denke ich, aber ich bleibe tapfer stehen und lächele der Blondine unsicher entgegen. Wenn hier jemand toll aussieht, dann doch wohl sie. Groß und schlank, wirkt sie mit den gleichmäßigen Gesichtszügen und den Designerkleid wie ein Model. Sie ist jünger, als ich zuerst dachte, Ende zwanzig höchstens. Und sie strahlt Jonathan an.
»Schön dich zu sehen, Imogen«, begrüßt Jonathan sie und küsst sie auf beide Wangen, was sie enthusiastisch erwidert.
»Gleichfalls«, erwidert sie und nimmt dann mich in Augenschein.
»Das ist Grace Lawson«, Jonathan deutet auf mich und dann wieder auf die Blondine, »und das ist Lady Imogen Moredale, die Tochter meines Patenonkels.«
Ich zucke unmerklich zurück, weil er zwar erläutert hat, wer sie ist, aber nicht, wer ich bin – abgesehen von meinem Namen. Erst jetzt wird mir klar, dass tatsächlich ja gar nicht klar ist, als was ich hier auf dem Fest des Earls eigentlich auftreten werde.
Es ist das erste Mal, dass ich Jonathan zu so einem offiziellen Termin begleite. Wir waren schon bei diversen Geschäftsessen, bei denen er mich immer als Mitarbeiterin vorgestellt hat – was ja nicht falsch ist und in dem Zusammenhang auch passte, obwohl mir etwas anderes lieber gewesen wäre.
Im Prinzip ist unsere Beziehung kein Geheimnis – die Tatsache, dass wir eine Affäre miteinander haben, stand ja dick in der Boulevardpresse. Aber so richtig über die Lippen scheint Jonathan meine Rolle in seinem Leben nicht zu kommen.
Lady Imogen, die mir mit einem weit weniger strahlenden Gesichtsausdruck als gerade eben bei Jonathan die Hand schüttelt, weiß jedoch offenbar, in welchem Verhältnis wir zueinander stehen, denn sie hinterfragt das nicht. Oder vielleicht errät sie das auch nur, weil man mir so deutlich ansehen kann, dass wir gerade Sex hatten, denke ich mit Schrecken. Das ist für sie allerdings kein Hinderungsgrund, Jonathan weiter ganz offen anzuhimmeln.
»Hunter und ich kennen uns schon, seit wir Kinder waren«, sagt sie, etwas motivationslos – schließlich hatte sie niemand danach gefragt – was aber wohl genau wie die vertraute Anrede heißen soll, dass sie ihm sehr nahe steht. Auf jeden Fall möchte sie das gerne, das signalisieren ihre Blicke, und mehr als sonst wünsche ich mir plötzlich, dass Jonathan das klärt. Dass er deutlich macht, dass ich zu ihm gehöre und nicht sie. Doch das tut er nicht.
»Ist dein Vater auch hier?«, fragt er Lady Imogen stattdessen, und sie nickt begeistert.
»Er hat schon nach dir gefragt«, sagt sie und hakt sich bei ihm ein. »Gehen wir rüber zu ihm?« Sie sieht auch mit auffordernd an – immerhin –, doch ich schüttele den Kopf.
»Ich muss mich noch umziehen«, erkläre ich, denn ich werde den anderen Gästen definitiv erst unter die Augen treten, wenn ich wenigstens Gelegenheit hatte, in den Spiegel zu schauen. Was allerdings bedeutet, dass ich Lady Imogen das Feld überlassen muss, denke ich unglücklich – eine Aussicht, die ihr gut gefällt, wie ich an ihrem Lächeln erkennen kann. Deshalb stelle ich mich aus einem Impuls heraus auf Zehenspitzen und gebe Jonathan einen Kuss. Auf den Mund. Um zumindest das mal klarzustellen.
Lady Imogen gefriert das Lächeln – gut –, und den Ausdruck in Jonathans Augen kann ich nicht lesen. Erwartet hat er das ganz offensichtlich nicht, aber was denkt er denn? Dass er in der einen Minute überwältigenden Sex mit mir haben und gleich anschließend einfach mit einer Blondine am Arm abhauen kann? So haben wir nicht gewettet.
»Bis gleich, Hunter «,
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