Colours of Love - Entblößt: Roman (German Edition)
nicht mehr zu mir kommen würde, doch das ist er, und als er mich wachgeküsst hat, war ich zu überwältigt von seiner Leidenschaft, um ihm Vorwürfe zu machen – und ich wollte es auch gar nicht, weil ich es viel zu sehr genossen habe, ihn wieder bei mir zu haben, so nah und vertraut wie sonst.
Aber jetzt, im kühlen Morgenlicht, überlege ich, was das zu bedeuten hat, und plötzlich muss ich zu ihm und mich vergewissern, dass noch alles in Ordnung ist. Ich will bei ihm liegen, mich an ihn schmiegen und vergessen, dass die Situation so schwierig ist.
Deshalb schlüpfe ich aus dem Bett und ziehe mir meinen seidenen Morgenmantel über, den ich mir – zusammen mit dem passenden Negligé – extra neu gekauft habe. Jonathans Pyjamaoberteile waren ja keine Dauerlösung, und den Anblick der bunten XXL-Uni-T-Shirts, in denen ich in Chicago immer geschlafen habe, wollte ich ihm auch nicht zumuten. Früher wäre ich niemals darauf gekommen, mir so ein sexy Nichts zu kaufen wie das, was ich gerade trage. Wozu auch? Aber seit ich die Nächte mit einem Mann verbringe, dem ich gefallen will, hatte ich da einen kompletten Sinneswandel. Jetzt finde ich schöne Nachtwäsche sehr wichtig und sinnvoll – auch wenn ich sie meistens gar nicht lange anhabe, denke ich mit einem Lächeln, während ich zur Tür gehe.
Ich öffne sie leise und husche die wenigen Schritte über den Flur in Jonathans Zimmer, bevor mich jemand erwischt.
Aber Jonathan ist nicht da – sein Bett ist unberührt. Als er mein Zimmer verlassen hat, ist er nicht in seins zurückgekehrt. Nur wo ist er dann um diese Uhrzeit?
Ich überlege nicht lange, sondern gehe wieder in den Flur und laufe zur Treppe. Doch ich bleibe überrascht oben am Geländer stehen. Eigentlich war ich sicher, dass im Haus noch alles schläft, doch da habe ich mich getäuscht. Lockwood Manor ist längst erwacht, denn im Erdgeschoss hört man Stimmen, vermutlich aus der Küche. Auch wenn gerade niemand in der Halle ist, besteht also die Gefahr, irgendwelchen Angestellten zu begegnen, wenn ich jetzt unten in den Räumen nach Jonathan suche.
Unschlüssig kaue ich auf meiner Unterlippe. Ich möchte ihn unbedingt finden, aber ich bin nicht sicher, ob es sich – auch für einen Gast – in so einem Haus gehört, nur mit Nachthemd und Morgenmantel bekleidet durch die Säle zu laufen.
»Miss Lawson, Sie sind ja schon wach«, sagt Mrs Hastings, die plötzlich mit einem Korb voller Bettwäsche in den Händen neben mir steht. »Brauchen Sie irgendetwas?«
Sie sieht mich freundlich und vielleicht ein bisschen besorgt an, weil mir etwas fehlen könnte, das sie für mich auftreiben kann – aber mit keiner Regung lässt sie sich anmerken, ob sie meinen nicht angezogenen Zustand merkwürdig findet.
»Äh, nein … ich …« Ich räuspere mich. »Ich bin auf der Suche nach Mr Huntington. Er ist nicht in seinem Zimmer. Haben Sie ihn gesehen?«
Auch die Tatsache, dass ich es für nötig halte, so früh am Morgen in Jonathans Zimmer vorbei zu schauen, entlockt ihr keine Regung – abgesehen von einem weiteren Lächeln.
»Ja, das habe ich. Er sitzt schon seit einer ganzen Weile unten in der Bibliothek.« Sie zwinkert mir zu. »Ich weiß das, weil ich ihm dort schon eine Kanne Tee serviert habe.«
Ich danke ihr und will die Treppe runtergehen, zögere dann jedoch. »Ist es … okay, wenn ich so …« Ich deute an mir herunter und ernte noch ein weiteres breites Lächeln.
»Gehen Sie nur, wenn Sie ihn dringend sprechen müssen«, sagt sie. »Wissen Sie, wo die Bibliothek ist?«
Ich nicke, erleichtert über die Absolution, und laufe die Treppe hinunter, während sie sich wieder umwendet und mit dem Wäschekorb in den Flur zurückkehrt.
Den Weg zu finden, ist nicht schwer, und außer einer Küchenhilfe, die mir mit einem Korb voller Silberbesteck entgegenkommt und mich sehr neugierig ansieht, begegnet mir tatsächlich niemand.
Die Tür zur Bibliothek steht auf, und als ich hineinsehe, entdecke ich die Teekanne, von der Mrs Hastings gesprochen hat. Sie steht bei einer dieser extrem dünnwandigen Tassen auf einem Beistelltisch neben einem der Sofas. Jonathan sitzt jedoch nicht drauf. Ich bemerke ihn erst, als ich den Raum ganz betrete. Er lehnt – im Gegensatz zu mir vollständig angezogen – am Rahmen der Durchgangstür zum Arbeitszimmer seines Vaters und betrachtet etwas an der Wand des anderen Raumes. Ich brauche gar nicht zu überlegen, ich weiß sofort wieder, was dort hängt: das Porträt
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