Colours of Love - Entblößt: Roman (German Edition)
Lockwood Manor gekommen zu sein, und natürlich sind auch einige Gäste, die später noch zu Dinner und Ball bleiben werden, bereits eingetroffen.
Das hat den nicht zu unterschätzenden Vorteil, dass ich in der Menge untergehe und nicht weiter auffalle, aber auch den riesigen Nachteil, dass ich mich jetzt erst richtig verloren fühle. Denn Jonathan steht wieder nicht neben mir, wie ich es mir gewünscht hätte, sondern ein paar Meter entfernt bei einer Gruppe von Männern und macht, wie ich annehme, Smalltalk.
Heute lässt er mich zwar nicht ganz so links liegen wie gestern Abend, vielleicht weil er doch ein schlechtes Gewissen wegen heute Morgen hat. Aber ich fühle mich trotzdem von ihm alleingelassen, weil er mehr weg ist als da.
Immer, wenn ihn jemand ruft oder ihm winkt – und das kommt oft vor –, dann geht er hin, aber er nimmt mich nicht mit, sondern entschuldigt sich und lässt mich stehen. Und wenn er wieder zurück ist und jemand zu uns kommt, stellt er mich nur mit meinem Namen vor und sagt nicht mehr dazu. Er legt auch nicht den Arm um mich, so wie ich es bei anderen Paaren sehe, um zu signalisieren, dass wir zusammen sind – er tut nichts dergleichen, und sobald sich die Gelegenheit ergibt, ist er wieder weg.
Er geht mir aus dem Weg, ganz klar. Daran hat sich seit heute Morgen nichts geändert, und je länger es dauert, desto größer wird der Knoten in meinem Magen, der mich schon seit unserer Begegnung in der Bibliothek quält. Aber ich werde ihm nicht nachlaufen, auf keinen Fall, auch wenn es heute schlimmer ist als gestern, weil ich nicht Sarah als Fels in der Brandung und Rettungsanker habe.
Wahrscheinlich hat sie ihr Bein gestern nur so geschont, um für den Tag heute fit zu sein, denn an ein gemütliches Im-Sessel-Sitzen und Hof halten ist für sie gar nicht zu denken. Genau wie Jonathan und der Earl läuft oder besser humpelt sie unermüdlich mit ihrer Krücke zwischen den Leuten herum, und genauso unermüdlich wird sie angesprochen von den Gästen, die ihr danken oder ihr etwas erzählen wollen. Und da ich auch ihr nicht die ganze Zeit hinterherdackeln will, halte ich mich tapfer an meinem Champagnerglas fest, den es außer dem obligatorischen Tee – sonst wär’s ja keine Teeparty – und den kleinen Küchlein und den Sandwiches noch gibt, und lächle die vielen Menschen an, die an mir vorbeigehen und deren Gesichter mir nichts sagen. Ab und an ist zwar auch mal jemand dabei, den ich von gestern Abend kenne oder der mit bekannt vorkommt, doch mir fehlt der Mut und die Motivation, hinzugehen und ein Gespräch zu suchen. Was soll ich schließlich sagen, wenn ich gefragt werde, wer ich bin, denke ich genervt und mein Blick wandert zurück zu Jonathan, der noch bei der Männergruppe steht. Würde mir irgendjemand glauben, dass ich Jonathan Huntingtons Freundin bin, so wie er sich benimmt?
»Hallo!«
Völlig überrascht blicke ich auf, als mich plötzlich jemand anspricht. Vor mir steht eine schlanke Blondine in einem Kleid, das mir extrem kurz vorkommt. Sie kennt mich offenbar, und ich weiß, dass ich sie definitiv schon mal gesehen habe. Aber weil sie mich so aus meinen Gedanken gerissen hat, komme ich nicht drauf.
»Grace, oder?«, fragt sie mit sehr hoher Stimme und stößt mit ihrem Champagnerglas gegen meins. »Ich bin Tiffany – erinnern Sie sich? Richard und ich waren in London mit Ihnen essen.«
Richtig, denke ich. Tiffany, die Hohlbirne. Freundin des schmierigen Earl of Davenport, den ich sofort Richard nennen durfte und der seine Hand hundertprozentig auf meinen Oberschenkel hätte wandern lassen, um mich ausgiebig zu betatschen, wenn Jonathan nicht dabei gewesen wäre. Der Abend damals war zwar ziemlich denkwürdig, denn ich hatte viel zu viel getrunken und habe danach das erste Mal bei – und mit – Jonathan geschlafen – aber die dümmliche Tiffany und den feisten Richard habe ich trotzdem nicht in guter Erinnerung. Eher in verschwommener, denke ich mit einem schiefen Grinsen und füge mich der Tatsache, dass mir ein weiteres Gespräch mit Tiffany nicht erspart bleiben wird. Aber, hey, ist ja nicht so, als wenn ich gerade die große Auswahl hätte.
»Wie geht’s denn so?«, fragt mich Tiffany, will die Antwort aber anscheinend gar nicht wissen, denn sie sieht sich suchend um. »Ist Jonathan gar nicht bei Ihnen?«
So dumm ist sie gar nicht, denke ich, während ich mich bemühe, weiter zu lächeln. Zwei Sätze und sie hat das Problem schon erkannt.
»Er wird mir
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