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Coltan

Coltan

Titel: Coltan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ivo Andress
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Schürze ab.
    Zurück in die Wohnung. Ich setze mich auf den
Boden, greife nach der Fernbedienung und starte den CD-Player: Sadé, Soldier of
Love.
    An der Wand das auf Leinwand gezogene übermalte
Foto einer undefinierbaren Skulptur. Modern. Kunst, das ist nichts weiter als eine
Möglichkeit. Das Ideal im Guten wie im Bösen, der Traum vom anderen Leben. Manchmal
ist der Maler selbst überrascht. Noten kann man wie Buchstaben lesen. Bilder
auch, wenn man sehen gelernt hat. Am Bildrand die Initialen LG.
    Ich nehme das Bild vom Haken. Es ist schwerer
als erwartet. Leinwand, ein schmaler Rahmen, nichts, was das Gewicht erklärt, auch
nicht die leichte Sperrholzplatte an der Rückseite.
    Die obere Rahmenleiste steht ein, zwei
Millimeter über. Ein leichter Druck, dann springt sie ab. Zwischen Bild und
Sperrholzplatte ist ein Hohlraum. Als ich das Bild auf den Kopf drehe, rutschen
mehrere CDs heraus. Jede mit einer anderen Jahreszahl beschriftet. Auf einer steht
einfach nur: Gallert.

56
    Ahrendt saß im Konferenzraum vor einem der in
die Tischplatte eingelassenen Monitore. Er hatte die Tastatur aus gelöst und
balancierte sie auf den Knien.
    Lily Groman, Guernsey. Sie hatte ihn gelinkt.
Eigentlich hätte er sie schon auf dem ersten Foto erkennen müssen. Müßig, jetzt
noch darüber nachzudenken.
    Es war kurz nach dreizehn Uhr als van Broiken
die Adresse durchgab. Zwei, drei Klicks und schon sah er die Namen aller
Bewohner des Aufgangs auf seinem Bildschirm. Gormann – Groman, sie hatte quasi
um die Ecke gewohnt. Und nun gehörte alles, was es da zu finden gab, ihm -
Gallert.
    Die dunklen Flecken unter seinen Achseln wurden
von Minute zu Minute größer. Viele Optionen hatte er nicht mehr. Als Erstes
aber hieß es Aufräumen, und zwar gründlich. Die Zeit drängte. Mit feuchten
Fingern hackte er sein Passwort in die Tastatur.
    Alphabetisch geordnet erschien die Liste der
Dossiers.
    Geschäftsleute, Politiker, auch ein paar
Kriminelle. Er kannte sie alle, die sogenannte Elite, vor allem ihre kleinen, unangenehmen
Geheimnisse.
    Seinen Bekanntenkreis erweiterte er meist, wenn
es Anlass für ein neues Dossier oder eine zukunftsträchtige, verfängliche
Situation gab. Dann tauchte er aus dem Nichts auf, zückte unauffällig seinen
Ausweis und bot Hilfe an. Eine plumpe Überrumpelungstaktik. Bislang hatte sich
niemand die Frage gestellt, warum dieser grauhaarige Mann just dann auftauchte,
wenn man Hilfe bitter nötig hatte.
    Doch er konnte auch zuwarten, wie sie sich mehr
und mehr verhedderten bis zu jenem Moment, da sie zu allem bereit waren.
    Ahrendts Macht, das waren diese Dossiers. Meist
reichten diskrete Anspielungen, ein scheinbar achtlos dahin geworfener Scherz
und ein kurzer Blick. Dabei war er nie aufdringlich. Er verstand es seine Ziele
so zu formulieren, dass sein Gegenüber stets in dem Gefühl lebte, einen
blendenden Einfall gehabt zu haben.
    Er war ein Manipulator der alten Schule. In
jungen Jahren gab es nicht wenige Frauen, die sich sicher waren, ihn, den
Unnahbaren, mit aller Finesse erobert zu haben. Dabei waren sie ihm nur blind
zu diensten.
    Mein kleines, schmutziges Reich, dachte er, ist
zu einer Zeitbombe geworden. Und das nur, weil mir ein Detail entgangen ist. Aber
was, verdammt, hatte Starnhagen getan? Was hatte Tarnowski so in Aufregung
versetzt, dass er die Kontrolle verlor? Warum hatte sie geschwiegen?
    Für Tarnowski stand viel auf dem Spiel. Gerade
jetzt. Aber er war doch kampferprobt? Was war in diesen kühlen Kalkulator gefahren,
der bislang weder panisch noch unüberlegt agiert hatte? Er musste ihn sprechen,
sofort.
    Nach einem kurzen Klingeln hörte er die Stimme
des Russen. Die sichere Satellitenleitung verdoppelte jedes Wort, auch wenn die
beiden kaum ein Kilometer trennte. Es dauerte keine Minute, da war klar, dass er
zu lange abgewartet hatte. Die Konsequenzen waren schon jetzt unabsehbar.
Ahrendt bereitete sich auf den Notfall vor: er kopierte alle Dateien auf eine
CD, dann startete er das Löschprogramm.

57
    Mein Handy summte, im Display erschien
„Martens“.
    „Tag Martens.“
    „Sie sind in Schneeberg?“
    „Ihr Handy war aus.“
    „Ich hab hier die Auswertung der
Telefonlisten.“
    „Besprechen wir morgen.“
    „Was heißt morgen, Gallert? Was läuft hier?“
    Martens schnaubte. Ich wusste, was ihn umtrieb.
    „Auch das besprechen wir morgen.“
    „Da ist …“
    „Morgen!“
    Ich versuchte ruhig zu bleiben, aber genau das brachte
ihn erst richtig in Fahrt.
    „Ich

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