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Coltan

Coltan

Titel: Coltan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ivo Andress
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kaum: „Aufregung?
Mehr haben Sie nicht zu sagen?“ Er winkte nach dem Kellner, bestellte ein
Tonic: „Ich will endlich wissen, was in dem kleinen Ficki-Ficki-Klub passiert
ist?“
    „Sie kennen ihn doch, das Übliche. Nur, Lily,
meine herzensgute Lily, hat ihn dabei gesehen. Starnhagen hat das gar nicht
mitbekommen. Aber ich hole mir einen Drink, sehe die offene Tür. Mist denke ich
noch, warum passt der nicht auf. Lily und ihre kleine Freundin wollten duschen,
ich warte. Aber es dauert. Also klopfe ich und sie zwitschert, gleich,
Moment noch . Dann reißt sie plötzlich die Tür auf, stürmt aus dem Bad,
zerrt die andere hinter sich her. Will sie noch festhalten, kriege ich Tritt
von ihr in die Eier und raus waren sie.“
    Tarnowski fingerte eine Zigarette aus der Packung.
    „Und sie hat ihn erkannt?“
    „Warum sonst Hals über Kopf abgehauen,
natürlich hat sie alles gesehen. Das ist passiert.“
    „Und dann haben Sie sauber gemacht?“
    „Nun, ist nicht ganz so gelaufen, wie geplant.“
    „Nicht ganz?“
    Wie so oft, wenn er nicht weiter wusste,
starrte Tarnowski teilnahmslos in die Luft. Dann nahm er einen tiefen Zug und
blies den Rauch quer über den Tisch: „Was passiert, wenn eure Polizei ihm einen
Besuch abstattet? Vielleicht wissen die gar nicht, was er so treibt, wenn er
nicht daheim bei seiner Hübschen ist. Oder?“
    Ahrendt konnte Tarnowskis Gedanken lesen, wusste,
was er sagen wollte, ohne es auszusprechen. Der Russe war nur selten direkt.
    „Geht das nicht zu weit?“
    Tarnowski schnipste die Zigarette auf den
kleinen Platz und musterte Ahrendt. Unmerklich, fast entschuldigend hoben sich
seine Schultern.
    Ahrendt holte tief Luft: „Gut.“
    Tarnowski schob einen Zehn-Euro-Schein unter
sein Glas, stand grußlos auf und schlenderte Richtung Pulverturm. Ein untersetzter,
durchtrainierter, nicht mehr ganz junger Mann. Für einen Touristen vielleicht
ein wenig zu seriös gekleidet, aber unauffällig. Freundlich lächelnd wich er entgegenkommenden
Joggern und Radfahrern aus.

80
    Je höher die Lufttemperatur, desto schneller
breitet sich der Schall aus. Bislang lebte ich in der Annahme, dass meine
Wohnung kaum mehr als hundert Quadratmeter habe. Mader musste sich also irren,
als sie behauptete, schon zehn Minuten geklingelt zu haben. Ich überschlug im
Kopf: Zehn Minuten gleich 600 Sekunden multipliziert mit der
Schallgeschwindigkeit von 349 Meter pro Sekunde macht eine Entfernung zur
Klingel von – mehr als 209 Kilometern – als ich der Klingelton endlich auf mein
Ohr traf? Dabei lag ich mitten im Flur, zwei Meter vor der Klingel, höchstens.
    Ihr Auto. Natürlich. Wir waren verabredet. Nicht
nur vergessen, sondern – wo ist der Wäschesack? Kein frisches Hemd heute,
Sonntag nicht vor 12 Uhr geöffnet.
    Sie sah aus wie immer, wie ein kühler, sonniger
Frühlingsmorgen. Aber warum so laut? Andauernd schrie sie. Nicht bösartig, sondern
fröhlich. Ihre Lippen bewegten sich viel zu schnell für meine Ohren. Ganz zu
schweigen von meinen Augen.
    Jetzt zeigt sie auf etwas. Langsam folgen meine
Augen der Verlängerung ihres Zeigefingers. Das Bad, ja. Ihre Hände legen sich
auf meine Hüften, ich spüre den zunehmenden Druck, sie versucht mich durch den Flur
zu schieben. Folgsam setze ich einen Fuß vor den anderen. Wenig später ein
ohrenbetäubender Knall, die Tür. Zwei Aspirin. Langsam rinnt Wasser durch meine
Kehle. Das Durstgefühl bleibt, trinken. Jetzt setzen. Die Shorts über die Knie,
die Füße, dann an der Duschverkleidung wieder langsam hochziehen, zuerst den
linken Fuß heben, den rechten nachziehen, Hebel hoch. Ein lauwarmer
Wasserschwall.
    Ich lehnte mich mit dem Kopf an die Wand, noch
einen Schritt, ein stechender Schmerz durchfuhr mich. Ich war auf etwas
getreten, mitten in der Dusche. Weg damit. Jetzt tut auch noch der Zeh weh.
    20 Minuten später funktionierten meine Sinne
wieder einigermaßen. Mader hatte Kaffee gemacht und saß rauchend auf dem
Balkon.
    „Was für ein Mann! Und auf zur Landparty, los!“
    „Ich habe aber gar nichts …“
    „Dafür habe ich mich für das Cabrio
entschieden. Du zahlst ja.“
    Ich beugte mich über die Brüstung und sah genau
vor der Haustür eines dieser Gefährte, die clevere Autobauer für junge Frauen,
und all jene, die sich dafür hielten, entwickelt hatten. Ein Traum in Rot.
    „Ich kann heute nicht fahren.“
    „Heute?“
    Sie hielt mir einen Kaffeepott entgegen, auf
dem Beistelltisch lagen Croissants. Ich kaute, sie schlürfte. Wir

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