Coltan
schien mich direkt anzusehen, seine linke Gesichtshälfte war eindeutig
geschwollen.
Spencer wechselte die Aufzeichnung: „War eine
Heidenarbeit.“ Jetzt lief eine Reinigungskraft den Gang entlang, den Blick
gesenkt: „Die gehört auch nicht dorthin. Gar nicht so einfach, den Überblick zu
behalten bei 350 Leuten und unzähligen Aushilfen. Jedenfalls haben wir ein kleines
Leck im Sicherheitsmanagement entdeckt. Insofern, hat sich die Arbeit gelohnt.“
Sie hatten sich keine besondere Mühe gegeben. Der
Wagen mit Reinigungszubehör, ein weißer Kittel, schwarze Perücke. Dilettantisch.
Ich konnte es kaum glauben.
Spencer bemerkte mein ungläubiges Staunen: „Sie
kennen die Frau?“
„Ja, leider.“
„Arbeitet die für Sie?“
Spencer konnte Fragen stellen.
„Sagen wir mal so, wir werden beide von Ihren
Steuern bezahlt.“
„Verstehe.“
Irgendwie mochte ich ihn, seinen trockenem
Humor. Ich schlug ihm kumpelhaft auf die Schulter. Nur ein Blitzen in seinen
Augen verriet mir, dass er sich geehrt fühlte.
„Es gab ja eigentlich auch keinen Mord.“
Fünf Minuten später stand ich wieder im prallen
Sonnenlicht. Auf dem Gendarmenmarkt wechselten sich japanische, englische und
russische Sprechgesänge ab. Die typischen Touristenführer-Regenschirme wogten
über den Platz. Im Schlepptau schwitzende Touristen. Unbeschwert in einer der
sichersten Städte der Welt auf der Suche nach den Resten einer längst vergangenen
Kultur. Ich machte mich auf den Weg zu Hanschke.
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„Mader hier. Wo steckst Du?“
„Im Taxi. Reden wir wieder miteinander?“
„Die andern sind weg.“
„Wie tröstlich. Wie wäre es, wenn wir uns bei
Hanschke treffen.“
„Neuigkeiten?“
„Ich war im Videoklub.“
„Mal schauen, ob ich Zeit habe.“
Der Staatsanwalt hatte den Telefonhörer
zwischen Schulter und Ohr geklemmt und hackte mit zwei Fingern auf die Tasten seiner
Schreibmaschine. Als ich das Wort „Bildmontage“ hörte, versuchte ich ihn heftig
gestikulierend zu unterbrechen. Aber Hanschke gehörte zu den Wenigen, die weder
das Auszeit-T noch das Stopp-Zeichen der Lotsen kannten und so sah er mich nur
kopfschüttelnd an. Ein kurzes, heftiges „Nein!“ und er legte endlich die Hand
auf die Sprechmuschel.
„Wir haben was Besseres.“, ich hielt den
Umschlag in die Höhe. Mit einem kurzen „Wir vertagen uns!“ beendete er
das Gespräch. Ich platzierte meine Trophäe mitten auf dem Tisch: „Mader ist
gleich hier. Wir sollten warten.“
Ruhig und scheinbar unbeeindruckt von meinem
Auftritt ließ er seinen Zeigefinger über den Umschlag gleiten. Einzig seine
Augen verrieten, dass er vor Neugierde fast platzte.
Also gut, ein wenig Aufklärung konnte nicht
schaden: „Was die im Palms alles aufzeichnen. Ein Glück, dass da noch
kein Datenschützer zu Besuch war.“
Hanschke begann die Öffnung des Umschlags zu
sich zu drehen, in diesem Moment stürmte Mader ins Zimmer. Nun, da alle versammelt
waren, öffnete Hanschke den Umschlag und sah hinein. Mit einer Hand griff er
nach seinem Laptop in der Aktentasche, mit der anderen öffnete er die DVD-Box.
Kurz darauf liefen die Aufnahmen der Sicherheitskameras mit achtfacher
Geschwindigkeit über den Bildschirm. Nach einer halben Minute drückte er abrupt
die Stopp-Taste: „Schau an, wie hieß sie doch gleich?“
„Van Broiken“ ergänzte Mader.
„Richtig. Das ist also nach den Morden und
bevor wir die Videos abholen durften.“
Hanschke Zeigefinger glitt über die
Aufnahmedaten.
Ich wechselte die DVD, Spencer hat mir die
Aufnahmezeiten notiert.
Mader starrte auf den Bildschirm: „Diese Sau!“
Es kam aus tiefstem Herzen.
Hanschke wiegte den Kopf: „Ob wir ihn damit dran
kriegen? Die beiden können sonst woher gekommen sein.“
„Schon,“ stimmte ich ihm zu, „aber vielleicht
locken wir ihn damit aus dem Bau. Mal sehen, wie Starnhagen reagiert – oder
seine Frau?“
Hanschke holte tief Luft: „Sieht aus wie zwölf,
dreizehn. Was, wenn er sich dumm stellt? Dann kommt ein dicker, cholerischer
Anwalt über uns wie ein Tornado.“
„Das ist nach 22 Uhr, im Versorgungstrakt? Was
will er uns denn da erzählen!“, protestierte Mader.
Alles Mögliche dachte ich, schwieg aber,
während sie in ihrer Handtasche kramte: „Egal, denn das ist ja nicht alles,
noch nicht jedenfalls. Ostdeutsche Großstadt mit D?“
„Hör auf mit den Spielchen.“
„Also gut: Dresden!“, dabei hielt sie triumphierend
den ominösen Doppelbart-Schlüssel in die Luft. „Das
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