Coltan
die
inzwischen lauwarm und wässrig schmeckte. Dann holte sie den Laptop aus der
Tasche und startete die DVD. Ahrendt war langsam aus der Zeit. Sollte sie je
seinen Platz einnehmen, würde es keine heimlichen Kopiervorgänge mehr geben. Zu
viele, zu kleine Datenträger gab es mittlerweile.
Tarnowski und Starnhagen beim Betreten des
Lifts. Eine eher unspektakuläre Szene. Doch die folgende zwanzig Sekunden
Sequenz war wohl die Antwort auf viele Fragen.
Ahrendt hatte das Original sofort an sich
genommen und die Bearbeitung persönlich begleitet. Sein Pech, dass er so wenig
von digitalen Speichern verstand.
Der Mann tritt vor die Lifttür. Der Kamera den
Rücken zugekehrt. Mit seinem rechten Arm drückt er eine kleinere Person eng an
seinen Körper. Immer bemüht, sie gegen die Kamera abzuschirmen. Doch sie bewegt
sich, versucht, sich aus der Umklammerung zu lösen. Für einen Moment sind ein
kurzer, schwarz-rot-karierter Rock, weiße Strümpfe, ihr blondes Haar zu sehen.
Sie hat sich entweder verkleidet oder ist verdammt jung. Dann gleiten die
Fahrstuhltüren auf.
Van Broiken ließ die Szene immer wieder vor-
und zurücklaufen. Nichts, kein Gesicht. Und wo sind sie geblieben, der Mann und
die Unbekannte?
Die Kamera war ungefähr 2,50 Meter von der
Fahrstuhltür entfernt. Sie betrachtete Bild für Bild. Der Mann weiß um das
Risiko, will um jeden Preis verhindern, dass mehr als ein Rücken zu erkennen
ist. Die Türen gleiten auf. Er schiebt sie hinein. 25 Bilder pro Sekunde.
Da! Sie zoomt, korrigiert die Schärfe. Doch
dafür ist ihr Laptop nicht ausgerüstet. Die seitliche Fahrstuhlwand,
verspiegelt. Ein Anruf, zwei, drei Stunden Arbeit.
84
Schneiderhannes spielte am Autoradio herum.
Mader raste über die Landstraße, als könne sie es gar nicht erwarten, mich endlich
los zu sein.
Keiner sprach ein Wort, bis wir endlich, nach
einer weiteren qualvollen Stunde auf dem Notsitz, vor dem Kasernentor mit einem
wütenden Tritt auf das Bremspedal zum Stehen kamen.
Schneiderhannes rührte sich nicht, Mader ebenso
wenig. Mir blieb nur, über die Seitenwand zu klettern.
Am Eingang lümmelten zwei Mitarbeiter einer
Wachschutzfirma. Kein Soldat weit und breit. Wochenende.
Maders Wagen stand direkt hinter dem Wachhaus.
Ich fragte nach einer Rampe. Der Sender war leicht zu finden, er klemmte über
dem Katalysator. Eine Magnethalterung, problemlos abzunehmen.
Als ich durch den Schlagbaum fuhr, standen die
beiden rauchend an den Wagen gelehnt und lachten.
Sie hatten ihren Spaß gehabt, jetzt war Schluss
damit. Ich parkte direkt neben ihnen und hielt Mader mit einer einladenden
Geste den Schlag auf. Sie musterte mich spöttisch und deutete mit dem Zeigefinger
fragend auf sich. Ich nickte. Was folgte war eine eindeutige, elegant ausgeführte
Geste: Sie wendete sich mit einer leichten Drehung von mir ab, während die
Finger ihrer lose herabhängenden Hand sich einkrümmten und einzig der Mittelfinger
himmelwärts zeigte. Ihr Hüftschwung war umwerfend. Dann glitt sie ins Cabrio. Schneiderhannes
ließ sich rückwärts auf den Beifahrersitz fallen und warf mir ein „Man sieht
sich“ zu und legte seinen Arm auf die Lehne des Fahrersitzes. Mader ließ den
Motor aufheulen.
„Nicht schneller als 160!“, hörte ich sie noch
rufen, dann stand ich allein in einer Staubwolke.
Keine Klimaanlage und das Radio verlangte nach
einem Code. Ich konnte Mader nicht fragen, weil mein Handy auf dem Wohnzimmertisch
lag.
Vier einsame Stunden später schleppte ich mich verschwitzt
und durstig durchs Treppenhaus.
Auf der Mailbox ein Anruf von Spencer, ich
solle mich melden - dringend. Zu spät, er hatte seit drei Stunden Dienstschluss.
Ich legte mich aufs Bett und dachte nach. Ein Omega,
zwei Handynummern, eine Dotcom Firma. Ahrendt. Starnhagen, ein Pädophiler, der
immer davon kommt. Der Russe. Manipulierte Videos. Was wollten sie verschwinden
lassen? Schneiderhannes Hypothese erklärte vieles. Sie hatten an fast
alles gedacht. Aber irgendetwas mussten sie übersehen haben, niemand ist
perfekt. Wir hatten nur einen Versuch, wenn überhaupt. Einem Staatssekretär
tritt man nicht ungestraft zu nahe - jedenfalls nicht ohne triftigen Grund.
Meist konnte ich mich auf die genialen
Eingebungen des Knochenbrechers verlassen, der die Welt zuweilen mit dem
unverstellten Blick eines Kindes betrachtete und sich selbst als Teil eines
endlosen Spiels sah. Neugierig, mit Entdeckerlust, Erstaunen und manchmal
aberwitzig erscheinenden Ideen. Dennoch nahm
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