Coltan
Handy.
„Abendessen. Sie sitzt in der Sushi-Bar, ich
gegenüber beim Kaffee.“
Als ich kurz darauf stöhnend um die Ecke bog,
sah ich zuerst Mader. Aber sie war nicht allein: kurze Haare, die Sonnenbrille
hochgeschoben, van Broiken. Sie hatte uns bemerkt. Darauf war sie trainiert.
Mader schob mir ein Wasser über den Tisch und
steckte sich eine Zigarette an. Ohne zu fragen, griff van Broiken ebenfalls nach
der Schachtel.
Was lief hier? Mader reichte freundlich Feuer,
dann inhalierten beide tief und genussvoll.
„Frau van Broiken war so freundlich, mir ihre Gesellschaft
anzubieten! Spricht doch nichts dagegen, oder?“
„Auch nicht mehr so ganz in Form, wie?“ Van
Broikens Stimme war angenehm mit einem leicht spöttischen Unterton. Ich wischte
mir den Schweiß von der Stirn und beugte mich vor: „Und, wie geht’s jetzt weiter?“
„Machen Sie einen Vorschlag. Es gibt ja
eigentlich keinen Grund, dass wir hier sitzen. Wir sind weder alte Freunde,
noch haben sie einen Fall, bei dem ich Ihnen behilflich sein könnte. Und selbst
wenn, dürfte ich ja gar nicht mit Ihnen reden. Also, was machen wir jetzt?“,
sagte sie lächelnd und beugte sich nach vorn.
Sie wussten also doch nicht alles: „Na, da wäre
zum einen Hausfriedensbruch und Verdacht auf schweren Diebstahl, was Sie
angeht. Die illegale Abhöraktion ist gewiss sanktioniert durch eine Sonderverordnung.
Nur die Beihilfe zum sexuellen Missbrauch Minderjähriger, das könnte schwierig
werden. Für Sie, meine ich.“
Sie ließ die Zigarette auf den Boden fallen und
sah mir direkt in die Augen. Kein Zwinkern, keine Anzeichen von Verunsicherung:
„Kleiner Anflug von Größenwahn, Monsieur? Wir könnten Sie beide so an die Wand
nageln, dass Sie es als Gnade empfinden würden, Knöllchen verteilen zu dürfen.“
„Nicht doch, wir sitzen doch gerade so nett
beieinander.“, doch Maders Intervention trug nur unmerklich zur Entspannung
bei. Und da war es wieder, dieses herablassende Lächeln: „Schon mal über die
Zukunft nachgedacht? Ich hätte da was für Sie.“
Zu süffisant, um wirklich sicher zu wirken. Sie
spielte. Maders Augen verengten sich langsam. Van Broikens Hand glitt langsam
über den Tisch Richtung Zigarettenschachtel, da beugte sich Mader plötzlich vor
und packte ihren Daumen.
„Zuhören. Jetzt, und zwar ganz genau. Wir
können das hier freundschaftlich und ganz diskret abwickeln oder eine
Riesennummer draus machen. Ich weiß nicht, wie tief Sie drin stecken. Ist mir
auch egal. Vielleicht kommen Sie ja ohne Blessuren davon, bei Ihrem Namen. Aber
ich würde mal darüber nachdenken, für wen Sie hier die starke Frau markieren. Für
einen Kinderficker. Alles klar?“
Sie gab den Daumen wieder frei. Van Broiken
lehnte sich zurück, griff nach ihrer Sonnenbrille, begutachtete einen Moment
die Gläser und ließ ihre Augen verschwinden. War Mader übers Ziel hinausgeschossen?
„Kennen Sie das Café am Kleinen See?“
„Ja.“
„Jetzt ist es – “, sie griff nach ihrem Handy,
„18 Uhr. Sagen wir in anderthalb Stunden?“
Sie erhob sich und war Sekunden später
verschwunden.
„Was hast Du mit ihrem Namen?“
Immer dieser mitleidige Gesichtsausdruck.
„Van Broiken, sagt Dir nichts? Abwehr? Für
Kaiser, Führer, Vaterland.“
„Oh. Aber, warum will sie uns noch mal
treffen?“
„Vielleicht wusste sie es wirklich nicht. Oder,
sie will ihren Chef abservieren. Klar ist, die weiß, was sie tut. Ich bin mir übrigens
sicher, dass sie uns erwartet hat.“
93
Das Flipchart überragte den Staatsanwalt um
Haupteslänge. Firmennamen, verbunden mit langen Strichen, dazwischen Namen: Tarnowski,
Starnhagen, Ahrendt. Die Fotos von Lily Gormann und Susanne Berthold klebten am
Rand. Über der Tür zog der Minutenzeiger seine Bahn, der Stundenzeiger stand
kurz hinter der Sechs. Vor zwei Stunden hatte Hanschke das Telefon stumm
gestellt und sich in der Geschäftsstelle abgemeldet. Ruhe.
Starnhagen und Tarnowski bildeten das Zentrum
des Organigramms. Von den beiden Frauen ging eine Linie direkt zu Tarnowski.
Ein großes „M“ stand für das unbekannte Mädchen.
Am rechten Rand eine Spalte, überschrieben mit
„Nicht identifiziert“, darunter: Fahrer? Mörder?
Hanschke massierte mit der linken Hand seine
Schläfe und wanderte durchs Zimmer. Er fürchtete mehr und mehr, dass ihm die
Welt langsam zu komplex geworden war. Geld, Menschen, Informationen jagten
grenzenlos um den Erdball und seine Mittel entstammten einer Zeit, da
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