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Commissaire-Llob 1 - Morituri

Commissaire-Llob 1 - Morituri

Titel: Commissaire-Llob 1 - Morituri Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yasmina Khadra
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Gottheiten
    wählen und sich in selbstmörderischer Begeiste-
    rung albernen Ritualen unterwerfen. Der Funda-
    mentalismus ist schon dabei, aus dem Glauben
    einen Scharlatanskult zu machen. Die Weltreligio-
    nen werden untergehen im globalen Diabolisie-
    rungstaumel. Die Kirchen werden den Tempeln der
    Häretiker weichen. Die Moscheen werden es nicht
    mehr wagen, ihre Minarette vor der Loge der Mut-
    anten in den Himmel zu recken … Das dritte Jahr-
    tausend wird das Jahrtausend der Mystik sein,
    Llob. Die Apokalypse wird als Gipfel der Verzü-
    ckung gelten.“
    Ich schüttle völlig erschlagen den Kopf.
    Da Achour gilt nicht als gesprächig, doch wenn
    er seiner Seele einmal die Zügel schießen läßt,
    könnte der berühmteste Prediger an seiner Bega-
    bung verzweifeln.
    Der Alte hat nicht einmal mit der Wimper ge-
    zuckt. Nur auf seiner Schläfe hat sich eine Falte
    gebildet.
    „Ich hätte nicht gedacht, daß der Anblick des
    Mittelmeeres so deprimieren kann“, werfe ich ihm
    vor. „Früher warst du herzerfrischend komisch.
    Und ich bin zu dir gekommen, um meine Batterien
    aufzuladen und mir den Kopf durchzulüften. Wo
    ist der Komiker hin, dessen Formulierungen den
    Teufel in den Wahnsinn getrieben haben?“
    „Das ist es ja! Ich bin wie diese Wortspiele, die
    auf den ersten Blick verblüffen, bei näherer Be-
    trachtung aber gar nichts bedeuten.“
    „Sachte, sachte, Da. Du machst auch gerade die
    Wechseljahre durch.“
    Endlich dreht er sich um. Seine Augen gleichen
    noch immer dem Meer, doch an diesem Morgen
    lädt kein Segler in ihnen zur großen Fahrt ein.
    „Weißt du, warum die Clowns sich Farbe ins Ge-
    sicht schmieren?“ fragt er. „Die Kinder glauben,
    aus Spaß. Ein riesiger roter Rüssel ist lustiger als
    eine Nase, und Sterne auf der Stirn sind nicht so
    traurig wie Falten. In Wirklichkeit, Llob, schmie-
    ren sich die Clowns schreiende Farben ins Gesicht,
    um ihren Schmerz zu überdecken. Das ist ihre Art,
    so zu tun als ob, sich eine zweite Persönlichkeit
    zuzulegen. Ähnlich wie die Vögel, wenn sie sich
    verstecken, um zu sterben. Und wer ahnt schon
    etwas von der Einsamkeit des Clowns im Trubel
    eines Zirkuszelts? Niemand. Ist auch besser so.
    Man findet nur im verborgenen zu sich selbst.“
    Er wendet sein Gesicht wieder dem Meer zu.
    Und mir ist es, als risse sich eine ganze Insel von
    meinem Archipel los.
    „In der Thermoskanne ist Tee, Kommissar.
    Macht nicht das Glück eines Mannes aus, aber hilft
    bei der Verdauung.“
    In der Ferne spielt ein Frachter mit den Wogen
    Bockspringen. Am Himmel, der unsere Felder
    boykottiert und unsere Gebete ignoriert, steigen
    wie weiße Spruchbänder die Möwen empor.
    Ich hätte einen alten Mann nicht stören dürfen,
    der weiß, warum für die Wellen der Spaß aufhört, wenn der Seegang zu gewaltig wird.

    8

    Der Direktor, dessen Gesicht so mitgenommen
    aussieht wie ein Putzfetzen, erholt sich von unserer
    letzten Begegnung wie von einer peinlichen
    Krankheit. Er trägt einen schwarzen Anzug, eine
    graue Krawatte und eine Brille mit getönten Glä-
    sern, um seine Hintergedanken zu verbergen.
    Bliss steht kriecherisch und verschlagen an seiner
    Seite, fast schon pathetisch in seiner Stellung des
    Oberspeichelleckers.
    Ich betrete entschlossenen Schritts das Büro. Oh-
    ne zu grüßen. Bleibe nur stehen, die Hände in den
    Hosentaschen, so respektlos wie ein Abgeordneter
    gegenüber der Republik. Bliss wirft mir einen vor-
    wurfsvollen Blick zu. Ich übersehe ihn. Mit schar-
    fem Zug um die Mundwinkel warte ich ab.
    Der Direx tut so, als sei er in die Lektüre eines Be-
    richts vertieft, den er mit der verlogenen Ruhe ei-
    nes korrupten Richters studiert. Sicher hat er Stun-
    den gebraucht, um seinem Szenario den letzten
    Schliff zu geben. Und jetzt, wo ich da bin, bringt er
    in seinem Kopf die Stichworte durcheinander.
    Um ihn noch mehr aus der Konzentration zu
    bringen, klopfe ich mit dem Fuß auf das Parkett.
    Der Direx schiebt die Brille ein Stück weit hinun-
    ter. Sein Finger bittet mich um Geduld, bietet mir
    einen Sessel an. Ich halte es für ratsam, einige Zeit
    verstreichen zu lassen, bevor ich mich setze. So
    möchte ich seiner Kloschüssel von Schädel ein-
    trichtern, daß ich nicht etwa einen Befehl ausführe.
    „Kommissar, ich möchte …“
    „Damit wir uns gleich richtig verstehen, Herr Di-
    rektor“, unterbreche ich ihn trocken. „Wenn es nur
    darum geht, uns weiter zu streiten, dazu bin ich
    nicht in Stimmung.“
    Seine

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