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Commissaire-Llob 1 - Morituri

Commissaire-Llob 1 - Morituri

Titel: Commissaire-Llob 1 - Morituri Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yasmina Khadra
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seine Uhr.
    Ich gebe Lino einen Lagebericht: „Zwei arme
    Teufel werden in wenigen Minuten draufgehen,
    wenn wir sie nicht sofort da herausholen. Ein Vater
    und sein Sohn. Chater sagt, daß die drei Terroristen
    bis oben mit Barbituraten zugeknallt sind. Wir
    können sie also überrumpeln.“
    „Ich bin bereit, Chef!“ stößt er hervor und
    schwingt seine „9 mm“.
    „Schick ein Stoßgebet zum Himmel und bleib
    dicht hinter mir.“
    Ich atme tief durch und renne auf die Baustelle.
    Rund um mich peitschen die Salven der Kalasch-
    nikows den Sand auf. Ich hechte mich zu Boden
    und robbe auf einen Container zu. Mit bleichem
    Gesicht folgt Lino mir nach. Um das Gesicht zu
    wahren, reckt er pathetisch seinen Daumen in die
    Höhe.
    „Ist nicht der richtige Zeitpunkt zum Autostop-
    pen“, knurre ich.
    Ein Schuß löst sich vom Dach. Irgend jemand
    brüllt im Inneren der Villa. Eine grotesk gestikulie-
    rende Gestalt taucht auf, mit weggerissenem Un-
    terkiefer. Sie bricht auf der Stiege zusammen und
    wird steif.
    „Hierher!“ rufe ich der Geisel zu, die an die Tür
    kommt. Es ist der Junge. Aber er hört nicht auf
    mich, sondern bleibt reglos auf der Rampe stehen,
    als hätte der Anblick des Toten ihn versteinert.
    Lino nützt einen Schußwechsel, um hinzusprin-
    gen, den Buben am Arm zu packen und ihn in den
    Schutz des Containers zu ziehen.
    Jetzt verlieren die Terroristen die Nerven. Das
    Mädchen kommt aus der Deckung und feuert auf
    uns los. Die Windschutzscheiben splittern. Die
    Polizisten drängen sich eng in ihrer unsicheren
    Deckung zusammen. Chater schießt. Das Mädchen
    läßt ihre Nähmaschine fallen, scheint nicht zu be-
    greifen, wie ihr geschieht. Zwischen ihren Brauen
    blüht mit einem Mal eine Knospe auf. Sie versucht,
    sich an einem Balken festzuhalten, stürzt ins Leere.
    Ihr Körper prallt noch einmal vom Betonmischer
    ab, bevor er in einer schamlosen Stellung lie-
    genbleibt.
    Genau diesen Moment wählen Lino und ich, um
    zum Angriff überzugehen. Wir dringen in den
    Hausflur vor. Das Erdgeschoß scheint leer zu sein.
    Ich gehe in den ersten Stock, die Waffe im An-
    schlag. Lino folgt in geringem Abstand mit ge-
    beugten Knien und derart geducktem Hinterteil,
    daß er an ein Affenweibchen beim Urinieren erin-
    nert.
    Der letzte Terrorist wütet im ersten Stock.
    Vorsichtig erklimme ich die Stufen, meinen Rü-
    cken immer gegen die Wand gedrückt. Draußen
    tun Serdj und seine Leute ihr Bestes, um den Ter-
    roristen abzulenken. Endlich kann ich ihn sehen.
    Ein richtiger Schrank, genau die Art von Ziel, für
    die ich schwärme. Er benutzt den Maurer als
    Schutzschild.
    Lino versucht mir noch einen praktischen Trick
    zuzuflüstern. Ich halte meine Knarre an die Lippen,
    er legt sich flach hin.
    Die Männer von Chater nehmen das Gebäude
    weiter unter Beschuß. Der Terrorist antwortet wild
    entschlossen Salve um Salve. Er hört nicht, wie ich
    mich hinter ihm aufrichte. Als ihm bewußt wird,
    daß die Sache gelaufen ist, zerplatzt sein Schädel
    schon wie ein riesiges Furunkel.

    * * *

    Baya hat schon wieder ihren Ohrring verloren. Sie
    sucht ihn auf allen vieren kriechend unterm
    Schreibtisch, wobei sie ihr Hinterteil übertrieben in
    die Höhe streckt. Lino spielt den Entspannten, aber
    in seiner Kehle hüpft ein Jojo auf und ab, während
    er mit einem Auge in die Zeitung, mit dem anderen
    auf den bewegten Hintern schielt.
    In dieser mitreißenden Choreographie überrasche
    ich die beiden. Ich herrsche ihn an: „Wenn du sie
    weiter so mit den Augen verschlingst, wirst du
    noch mal Bauchschmerzen bekommen.“
    Baya steht verwirrt auf, richtet ihren Rock und
    verschwindet schnell wie der Blitz.
    Lino spielt den Unschuldigen und raschelt mit
    seiner Zeitung: „Sie haben den Dichter Jamal Ar-
    mad umgebracht.“
    „Ich weiß.“
    „Verdammt! Er war noch keine fünfundzwan-
    zig.“
    Ich hänge meinen Mantel an den Nagel, wo er
    mir wie eine Fahne auf Halbmast vorkommt, und
    lege ihn schließlich über die Rückenlehne meines
    Stuhles.
    „Was für ein Elend! Warum zum Teufel ist man
    so hinter den Intellektuellen her, Kommy?“
    „Das ist nicht erst seit heute so. Eine uralte Ge-
    schichte. In unserer traditionellen Unkultur war der
    Gebildete schon immer der Andere, der Fremde
    oder gar der Besatzer. Und diese Verschiedenheit
    hat in uns einen hartnäckigen Groll genährt. Wir
    sind abgrundtief allergisch gegen alles Intellektuel-
    le geworden. Einen Fehler sieht man jemandem
    schon einmal

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