Commissaire-Llob 2 - Doppelweiß
Konse-
quenzen haben. Sie überschreiten Ihre Befugnisse,
Kommissar. Ich habe Freunde ganz weit oben. Ich
schwöre Ihnen, Sie sind jetzt schon erledigt.“
Seine Nasenflügel beben vor Wut. Er fällt auf
seine Absätze zurück und wird unsichtbar für mich.
„Das sind doch keine Zustände!“ protestiert es aus
dem Off. „Wir leben in einer Republik, verdammt!
Es gibt doch ein Gesetz!“
„Es gibt sogar mehrere, die Ihnen zu Diensten
stehen, Monsieur Kaak.“
Ich beuge mich über meine Schreibunterlage vor,
um seinen Standort ausfindig zu machen, und zähle
ihm an zehn Fingern auf: „Da gibt es zuerst das
Gesetz, das Sie sich maßschneidern lassen, sodann
das Gesetz, das Ihnen als Fußabtreter dient, des
weiteren das Gesetz, mit dem Sie sich den Hintern
abwischen …“
Der Zwerg liest in meinen Zügen die unerträgli-
che Abneigung, die ich für Abschaum seiner Sorte
hege. Das kühlt seine Glut etwas ab. Seine Hand
streicht die Vorderseite seines Sakkos glatt. Seine Art, die Lage zu entspannen.
Er versucht es in einem anderen Ton: „Ich habe
einen äußerst wichtigen geschäftlichen Termin in
Paris wahrzunehmen.“
„Was geht das mich an?“
Ich klopfe auf eine belanglose Akte, die gerade in
Reichweite liegt, und vertraue ihm an: „Sie stecken bis zum Hals in der Scheiße.“
Er schrumpft um zehn Zentimeter.
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„In dieser Akte ist Zündstoff genug, um Ihnen
die Hölle heiß zu machen. Mein Leben lang habe
ich auf die Gelegenheit gewartet, einem stinkrei-
chen Aas mal eins reinzuwürgen. Jetzt ist es so
weit. Ich werde Sie Stück für Stück auseinander-
nehmen, Monsieur Kaak.“
Der gewöhnliche Sterbliche wird hin und wieder
mal blaß um die Nase, doch Abderrahmane Kaak
ist so bleich wie ein Gespenst. Aus seinem Gesicht
ist alles Blut gewichen. Sein Blick ist zu Boden
gegangen. Seine Hand wühlt unsicher in seinen
Taschen und befördert ein Tüchlein zutage, mit
dem er sich Nacken, Kinn und Stirn abtupft. Er
sagt kein Wort. Er will erst sehen.
Ich schwenke eine Visitenkarte. „Die haben wir
bei Gaïd, dem Friseur, gefunden.“
„Mein Friseur heißt Tony.“
„Ich meine den Terroristen.“
„Von dem habe ich noch nie gehört. Ich pflege
keinen Umgang mit Fundamentalisten.“
„Und was hat Ihre Visitenkarte dann in seinen
Papieren verloren?“
Er kommt näher an meinen Schreibtisch heran,
nimmt mir die Karte weg, mustert sie eingehend.
Das genügt, um die Farbe in sein Gesicht zurück-
kehren zu lassen. Die Spannung auf seinen Zügen
weicht. Er gibt mir die Karte wieder und tritt er-
leichtert einen Schritt zurück.
„Das ist die Karte vom Hotel Raha-les-Palmiers.“
„Dessen Inhaber Sie sind.“
„Inzwischen nicht mehr. Ich habe es vor über
acht Monaten verkauft. Wie auch Raha-Golf, Ra-
ha-les-Pins und Raha-les-Sablettes … Und noch
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etwas: Dieses Stück Pappe hat keinerlei Beweis-
wert. Sie finden es im Reisebüro, im Hotel, überall.
Hotels sind öffentliche Räume. Visitenkarten sind
Werbung. Sie sind dazu da, verteilt zu werden. Ich
hoffe, Sie haben mich meine Pariser Termine nicht
wegen einer solchen Bagatelle versäumen lassen.“
„Da ist vor allem das hier, Monsieur Kaak“, be-
merke ich und klopfe wieder auf die Akte.
„Da liegt doch garantiert ein Mißverständnis
vor.“
Ich wedle mit einem Blatt vor seiner Nase herum.
„Ich habe das Recht, Sie achtundvierzig Stunden
lang hier einzuquartieren.“
„In diesem Fall möchte ich mit meinem Anwalt
sprechen.“
„Der denkt, Sie seien in Lyon.“
„Das ist nicht rechtmäßig!“
„Das geht mir gerade am Arsch vorbei!“
Er versucht, mich mit beiden Händen zu besch-
wichtigen.
„Kommissar, irgendwer spielt hier mit falschen
Karten.“
„Worauf Sie sich verlassen können. Ich habe
vorher jede Karte einzeln gezinkt und die guten
alle für mich behalten.“
Er protestiert, beginnt zu gestikulieren und auf
das heftigste Widerstand zu leisten. Ewegh greift
ihn mit zwei Fingern und führt ihn in die Geständ-
nisbox ab, einen Verschlag von zwei Quadratme-
tern mit niedriger Decke und beklemmenden Wän-
den, einem Metallstuhl, einem Projektor und einem
Tisch als ganzem Mobiliar.
Abderrahmane Kaak bleibt zwanzig Minuten
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lang still sitzen und wartet darauf, daß man kommt, um ihn fertigzumachen. Eine halbe Stunde später
hat er noch immer die eine Hand an der Wange
liegen, die Finger der anderen beginnen auf den
Tisch zu trommeln,
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