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Commissaire-Llob 3 - Herbst der Chimären

Commissaire-Llob 3 - Herbst der Chimären

Titel: Commissaire-Llob 3 - Herbst der Chimären Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yasmina Khadra
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euch heutzutage Klassenfahrten?“
    „Na und ob! Wir versuchen, unseren Kindern ein
    möglichst normales Leben zu bieten.“ Seine Hand
    krampft sich ums Steuer. „Vorher waren das keine
    Kinder mehr. Ihr hättet sie sehen müssen, wie sie
    in den Ecken kauerten, zitternd und verstört, sie
    brüllten schon los, wenn man sie nur ansah. Wie
    verängstigte Tiere. Ein knatternder Auspuff löste
    die wildeste Panik aus. Unmöglich, sie in diesem
    Zustand zu lassen. Sie wären früher oder später
    verrückt geworden. Mein Junge fing zu weinen an,
    sobald ich nur im Nebenzimmer verschwand, um
    etwas zu holen. Er klammerte sich Tag und Nacht
    an meinen Schatten. Wir haben die Hölle hinter
    uns.“

    151
    Sein Ton wird aufgeräumter, als wir auf freies
    Feld gelangen: „Hier wollen wir ein Jugendhaus
    bauen und vielleicht sogar ein kleines Stadion mit
    einer offiziellen Tribüne und Stufenreihen. Wir
    haben eine Menge Projekte für unsere Gemeinde.
    Das ist unsere Art, die Herausforderung anzuneh-
    men. Wir bauen auf, was der Fundamentalismus
    zerstört hat, und gewinnen täglich Terrain hinzu.
    Die beste Verteidigung ist noch immer der Angriff,
    hat der Capitaine gesagt.“
    Der Wagen poltert krachend in eine Ackerfurche.
    Mohand reißt schnell das Lenkrad herum, um nicht
    im Graben zu landen.
    „Du hast es selbst gesagt, Brahim: ‚Wenn du ein
    Problem hast, ist es dein Problem.’ Wer soll uns helfen, wenn nicht wir uns selbst. Und bisher
    klappt es ganz gut.“
    Da taucht Idirs Haus hinter den Bäumen auf, ver-
    hutzelt und pittoresk mit seinem Schieferdach und
    seinen Mauern aus Lehm und Stroh.
    Ich rüttele Arezki wach. Der Maler schreckt hoch
    und hampelt auf der Suche nach dem Türgriff wild
    herum, ohne fündig zu werden. Mohand springt
    heraus, eilt auf die andere Seite, um ihm den Wa-
    genschlag zu öffnen und stützt Arezki mit beiden
    Händen.
    „Der ist fertig“, sage ich. „Wird nicht mehr lange
    dauern, und wir müssen ihm bei seinen rituellen
    Waschungen helfen.“
    „Die Luft seiner geliebten Berge wird ihn schnell
    152
    wieder auf die Beine bringen“, verheißt Mohand
    und schiebt seine Arme unter den ungelenken Kör-
    per des Greises. „Wir werden ihn hätscheln und
    päppeln.“
    Ich mache das Licht im Schlafraum an. Mohand
    legt seine Last auf einer Matratze nieder, zieht A-
    retzki die Schuhe aus und deckt ihn zu.
    „Ein hübsches Leichentuch!“ unke ich.
    „Ich an deiner Stelle würde es machen wie er. Ich
    würde mit Madame und den Kindern in den Schoß
    der Sippe zurückkehren und alles andere vergessen
    … Jetzt muß ich aber los. Im Kühlschrank sind
    Getränke, und da im Schlauch ist frisches Quell-
    wasser.“
    „Du hast nicht zufällig ein oder zwei Zigaretten
    übrig? Ich habe meine Vorräte beim Bürgermeister
    aufgebraucht.“
    Er reicht mir eine Packung Rym. „Kannst du be-
    halten.“
    Plötzlich geht er nah ans Fenster heran und
    horcht.
    „Was ist denn los?“
    Seine Hand bedeutet mir zu schweigen. Ich spitze
    die Ohren. Außer Grillenzirpen und dem Gesäusel
    des Windes höre ich nichts Besonderes. Mohand
    geht in den Hof hinaus, klettert auf einen Steinhaufen und horcht in die Ferne, die Hand wie einen
    Trichter ums Ohr gelegt.
    Ganz fern, von den Windstößen verfälscht, ein
    Knattern …

    153
    „Schüsse?“
    „Pst!“
    Eine einzelne, kaum hörbare Detonation, dann
    eine Salve von Feuerstößen …
    „Das ist sicher die Patrouille von Sidi Lakhdar,
    die einen Zusammenstoß mit einer Gruppe Terro-
    risten hat.“
    „Ich habe vorhin alles mit den Soldaten durchge-
    checkt. Die Dorfwachen waren um null Uhr zwan-
    zig zurück in ihrem Quartier.“
    Die Schüsse werden lauter, aber es ist unmöglich,
    sie in der Dunkelheit zu orten.
    Da kommt ein Lastwagen ohne Licht vom Dorf
    herauf. Mohand läuft querfeldein, um ihn abzufan-
    gen.
    Als er zurückkommt, ist er blaß. „Das ist Aldis
    Gruppe. Sie fahren zu Punkt 21.“
    „Was ist los?“
    „Angriff auf Imazighène!“
    Eiswasser peitscht mir den Rücken entlang. In
    meinem Geist blitzt das gepeinigte Gesicht der
    alten Taos auf. Meine Knie werden weich, mein
    Herz hämmert wie wild gegen mein Brustbein.
    „Diese Feiglinge!“ schreie ich.
    „Die Feigheit ist algerisch. Die Tapferkeit ist al-
    gerisch. Für beide zusammen hat dieses Land kei-
    nen Platz. Wir sind entschlossen, den Teufel zur
    Strecke zu bringen, wenn nötig in der Hölle.“ Er
    springt in seinen Wagen. „Du bleibst hier,

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