Commissaire Mazan und die Erben des Marquis: Kriminalroman (Knaur HC) (German Edition)
kaum noch aushielt, hinter ihnen aufjaulte.
Die Frau nahm nun vorsichtig die Enden des Hemdes auf, so dass der Kater wie in einer Hängematte lag. Das Tier wand sich nervös, als es hochgehoben wurde.
»Ist ja gut, mein kleiner Commissaire, hab keine Angst«, sagte die Frau weich, und augenblicklich beruhigte sich der Kater. Jules war wirklich beeindruckt.
»Also, babtou «, wandte sie sich dann an Jules, »vielleicht machen Sie sich zur Abwechslung mal nützlich. Wissen Sie zufällig, wo eine Tierarztpraxis ist?«
Jules wiegte langsam den Kopf. »Ich hätte da so eine Idee.«
Atos schnüffelte während des ganzen Weges durch die Altstadt, über den Marktplatz bis hin zu dem schmucklosen Neubau hinter der Mairie, an dem in der Hemdtrage liegenden Kater. Jules versicherte der Frau, die noch nicht wusste, dass sie Nachbarn sein würden, dass sein Hund wirklich harmlos war.
»Atos ist mit Katzen aufgewachsen«, erklärte er. »Wahrscheinlich versteht er sogar ihre Sprache.«
Die Polizistin reagierte nur mit einem kühlen Blick aus ihren grünen Augen. Und mit einem solchen Blick musterte sie Jules auch, als er nun den Schlüssel aus der Hosentasche holte und die Tür zur Praxis aufschloss.
»Moment mal, babtou «, sagte sie misstrauisch und blieb an der Tür stehen. Er sah, wie sie begriff, warum er den Weg zur Tierarztpraxis so gut kannte. Und er sah auch, dass es keine gute Idee gewesen war, ihr dieses Detail vorzuenthalten.
»Schön, jetzt hattest du mal deinen Spaß, Weißbrot. Scheiß Zeitpunkt für Wer-bin-ich-Ratespiele, wenn du mich fragst.«
Jules wartete, ob da noch was kam. Aber sie starrte ihn nur feindselig an, fast so feindselig wie der Kater in ihrem Hemd. Es reichte ihm.
»Ich frage Sie aber nicht. Und erstens, Madame, ist mein Name nicht babtou, sondern Parceval. Jules Parceval. Zweitens, Madame ›Seh ich aus wie ein Navi?‹, haben Sie sich mir genauso wenig vorgestellt. Drittens: Ja, ich bin Tierarzt, und zwar ein guter.« Er überlegte, dann fügte er hinzu: »Und Joints rauche ich nie, nur zu Hause in meiner Badewanne.«
Er hatte es sich nicht verkneifen können. Himmel, gegen diese angriffslustige Frau war ein Stachelschwein ein Kuschelkissen.
Sie stand immer noch auf der Schwelle mit dem Kater in ihrem zerknitterten Hemd und schaute ihn finster an.
»Okay«, sagte sie schließlich, »Monsieur babtou Parceval, mein Name ist Zadira Matéo, Lieutenant Matéo, Drogenfahndung. Und Sie sollten besser vergessen, was Sie gesehen haben.«
Er mimte Erstaunen.
»Wovon, bitte schön, reden Sie, Lieutenant Matéo?«
Sie nickten sich zu. Offenbar waren sie quitt. Dann endlich trat sie ein.
Die Praxis, die Jules vorgefunden hatte, war in einem beklagenswerten Zustand. Offenbar hatte der ehemalige Tierarzt von heute auf morgen beschlossen, in Rente zu gehen. Geholfen hatte seinem Vorgänger bei dieser Entscheidung wohl – so hatte es Madame Roche etwas umständlich bei seinem gestrigen Antrittsbesuch erklärt –, dass er auf den Philippinen eine äußerst willige, weil äußerst arme junge Frau kennengelernt hatte. Auf alle Fälle musste Jules nun mit einer Einrichtung zurechtkommen, die in den siebziger Jahren des letzten Jahrhunderts angeschafft worden war. Für den an moderne Pariser Verhältnisse gewöhnten Tierarzt war der Anblick des Behandlungstisches, eine auf Stahlböcken ruhende Resopalplatte, ein Schock gewesen. Auf diesen Tisch bettete Lieutenant Matéo den verletzten Kater. Atos hatte sich hechelnd in eine Ecke im Flur verzogen. Als erfahrener Tierarzthund wusste er, dass er im Behandlungszimmer nichts verloren hatte.
»Können Sie Ihren Kater bitte beruhigen, während ich ihn untersuche?«, fragte Jules. »Jetzt werde ich ihn nämlich anfassen müssen.«
»Das ist nicht mein Kater«, sagte Zadira Matéo, beugte sich aber zu dem Tier und flüsterte: »Keine Angst, mon Commissaire. Wenn der Typ dir etwas tut, breche ich ihm die Hand.«
Jules verzog das Gesicht, sagte aber nichts. Dann begann er vorsichtig, das Bein zu untersuchen. Der Kater wehrte sich. Doch gemeinsam gelang es ihnen, das Tier ruhigzuhalten. Schweigend machte sich Jules an die Arbeit.
Glücklicherweise war nichts gebrochen. Das Bein war am Hüftgelenk verstaucht. Ein paar Tage Ruhe, und der Kater würde wieder laufen können. Danach versorgte Jules die Wunde auf dem Rücken und schaute sich auch das Ohr an. Aber da war nicht mehr viel zu kitten, das Ohr würde einen gut einen Zentimeter langen Riss behalten.
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