Commissario Montalbano 02 - Der Hund aus Terracotta
Tankwart
hatte vernehmen müssen, um alles in Erfahrung zu bringen,
was dieser gesehen hatte. Der Tankwart trug es ihm nicht nach
und begrüßte ihn gleich, als er ihn sah; seine Stimme klang so
aufdringlich, daß es Montalbano schauderte. Als er vollgetankt
hatte, zählte er das Geld, dann sah er den Commissario an.
»Was ist? Hab' ich dir zu wenig gegeben?«
»Nein, das stimmt schon. Ich wollte Ihnen etwas sagen.«
»Sag schon.« Montalbano wurde ungeduldig, wenn der
weiter so quatschte, verlor er bald seine Nerven.
»Sehen Sie den Laster da?«
Er zeigte auf ein großes Fahrzeug mit Anhänger, das auf
dem freien Platz hinter der Tankstelle stand; die Plane war fest
verschnürt, so daß von der Ladung nichts zu sehen war.
»Heute morgen, ganz früh«, fuhr er fort, »als ich
aufgemacht hab', da war der Laster schon da. Jetzt sind vier
Stunden vergangen, und es ist immer noch niemand
gekommen, um ihn zu holen.«
»Hast du nachgeschaut, ob in der Kabine jemand
schläft?«
»Ja, da ist keiner. Und noch was ist komisch, der
Schlüssel steckt, der erstbeste, der vorbeikommt, steigt ein und
fort ist er.«
»Laß mal sehen«, sagte Montalbano, plötzlich sehr
interessiert.
Vier
Klein, Mäuseschwanzbärtchen, unangenehmes Lächeln,
Goldrandbrille, braune Schuhe, braune Strümpfe, brauner
Anzug, braunes Hemd, braune Krawatte, alles in allem ein
brauner Alptraum – Carmelo Ingrassia, der Besitzer des
Supermarktes, zupfte mit den Fingern an der Bügelfalte seines
rechten Hosenbeins, das er über das linke geschlagen hatte,
und wiederholte zum drittenmal seine knappe Interpretation
der Ereignisse.
»Es war ein Spaß, Commissario, jemand wollte mir einen
dummen Streich spielen.«
Montalbano
starrte
gedankenversunken
auf
den
Kugelschreiber, den er in der Hand hielt, konzentrierte sich auf
die Kappe, zog sie ab, inspizierte sie von innen und von außen,
als hätte er noch nie so ein Ding gesehen, blies in die Kappe
hinein, um sie von unsichtbaren Staubkörnchen zu säubern,
sah sie an, war noch nicht zufrieden, blies wieder hinein, legte
sie auf den Schreibtisch, schraubte die metallene Spitze ab,
dachte eine Weile über sie nach, legte sie neben die Kappe,
betrachtete aufmerksam das Mittelstück, das er in der Hand
hielt, legte es neben die beiden anderen Teile und seufzte tief.
Auf diese Weise war es ihm gelungen, sich zu beruhigen, den
Impuls zu beherrschen, der ihn einen Augenblick lang fast
überwältigt hätte, nämlich aufzustehen, sich vor Ingrassia
hinzustellen, ihm in die Fresse zu hauen und dann zu fragen:
»Seien Sie ehrlich: War das Ihrer Meinung nach ein Spaß,
oder habe ich es ernst gemeint?«
Tortorella, der dieser Begegnung beiwohnte und wußte,
wie sein Chef reagieren konnte, entspannte sich sichtlich. »Ich
verstehe nicht recht«, sagte Montalbano, der sich wieder völlig
im Griff hatte.
»Was gibt's da zu verstehen, Commissario? Ist doch alles
sonnenklar. Die ganze gestohlene Ware war in dem Laster, der
wieder aufgetaucht ist, es hat nichts gefehlt, kein Zahnstocher
und kein Lolli. Wenn sie also nichts stehlen wollten, dann war
es eben ein Spaß, ein dummer Streich.«
»Ich bin ein bißchen begriffsstutzig, Sie müssen Geduld
mit mir haben, Signor Ingrassia. Also, vor acht Tagen eignen
sich auf einem Parkplatz in Catania, also auf der uns genau
entgegengesetzten Seite der Insel, zwei Personen einen
Lastwagen mit Anhänger der Firma Sferlazza an. Zu der Zeit
ist der Lastwagen leer. Sieben Tage lang halten sie diesen
Lastwagen versteckt, irgendwo zwischen Catania und Vigàta,
denn er wurde nirgends gesehen. Logischerweise wurde dieser
Lastwagen also nur deshalb gestohlen und versteckt, um ihn
im richtigen Augenblick rauszuholen und Ihnen einen Streich
zu spielen. Und dann taucht der Laster gestern nacht wieder
auf und hält gegen eins, als die Straßen praktisch leer sind, vor
Ihrem Supermarkt. Der Nachtwächter denkt, es handelt sich
um eine Warenlieferung, auch wenn die Uhrzeit ein bißchen
merkwürdig ist. Wir wissen nicht genau, was passiert ist, der
Nachtwächter ist nämlich noch nicht ansprechbar, sicher ist
nur, daß sie ihn außer Gefecht setzen, ihm die Schlüssel
abnehmen und reingehen. Einer der Diebe zieht den
Nachtwächter aus und sich selber die Uniform an – das ist
allerdings genial. Ebenfalls genial ist, daß die anderen die
Lichter einschalten und hemmungslos drauflosarbeiten, ohne
Vorsichtsmaßnahmen,
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