Commissario Montalbano 02 - Der Hund aus Terracotta
sollte.
»Nun?« fragte der Questore geduldig.
»Die ganze Geschichte war ein Bluff«, brach es aus
Montalbano heraus. »Es gab keine zufällige Begegnung, ich
bin zu Tano gegangen, weil er darum gebeten hat, mich zu
sehen. Und bei diesem Treffen haben wir ein Arrangement
getroffen.«
Der Questore bedeckte seine Augen mit der Hand. »Sie
haben ein Arrangement getroffen?«
»So ist es.«
Und weil Montalbano jetzt schon mal dabei war, erzählte
er ihm alles, von Gegès Anruf bis hin zur Inszenierung mit der
Festnahme.
»Gibt es sonst noch was?« fragte der Questore
schließlich.
»Ja. So wie die Dinge liegen, verdiene ich keine
Beförderung zum Vicequestore. Wenn ich befördert werden
würde, dann wäre es für eine Lüge, für eine Farce.«
»Das lassen Sie mal meine Sorge sein«, sagte der andere
schroff. Der Questore stand auf, verschränkte die Hände hinter
dem Rücken und dachte eine Weile nach. Dann wandte er sich
um und breitete die Arme aus.
»Wir tun folgendes: Sie schreiben mir zwei Berichte.«
»Zwei?!« rief Montalbano aus und dachte daran, wie
schwer es ihm oft fiel, überhaupt etwas zu Papier zu bringen.
»Keine Widerrede. Den gefälschten halte ich schön für
den unvermeidlichen Maulwurf bereit, der ihn der Presse oder
der Mafia schon zuspielen wird. Der echte kommt in meinen
Tresor.«
Er grinste. »Und was die Beförderung betrifft, die
anscheinend das Allerschlimmste für Sie ist – kommen Sie
doch Samstag abend zu mir nach Hause, dann reden wir in
aller Ruhe darüber. Und wissen Sie was? Meine Frau hat ein
köstliches Sößchen speziell für Meerbrassen kreiert.«
Cavaliere Gerlando Misuraca, der seine vierundachtzig Jahre
kriegerisch zur Schau trug, blieb sich treu und fing sofort an
zu streiten, kaum daß der Commissario »Pronto?« gesagt
hatte.
»Wer ist dieser Trottel in der Vermittlung, der mich zu
Ihnen durchgestellt hat?«
»Warum, was hat er denn getan?«
»Er hat meinen Namen nicht verstanden! Der ist ihm
nicht in seinen Doofkopf reingegangen! Bisurata hat er mich
genannt, wie das Magnesium!« Argwöhnisch hielt er inne und
fuhr dann in einem anderen Ton fort.
»Garantieren Sie mir bei Ihrer Ehre, daß er nur ein armer
Irrer ist?«
Davon war Montalbano überzeugt, denn er wußte, daß
Catarella am Telefon gewesen war.
»Das kann ich Ihnen garantieren. Aber wozu brauchen
Sie eine Garantie?«
»Falls er die Absicht hatte, sich über mich lustig zu
machen oder sich über das lustig zu machen, was ich
repräsentiere, komme ich in fünf Minuten ins Kommissariat
und reiße ihm den Arsch auf, so wahr mir Gott helfe!«
Was repräsentiert der Cavaliere denn? fragte sich
Montalbano, während der andere weiter schreckliche
Drohungen ausstieß. Nichts, absolut nichts Offizielles, wenn
man so sagen kann. Er war bei der Gemeinde angestellt
gewesen und nun schon lange in Pension, bekleidete keine
öffentlichen Ämter, noch hatte er je welche bekleidet, in seiner
Partei war er einfaches Mitglied. Er war ein untadeliger
Ehrenmann, lebte sehr bescheiden, fast ärmlich, und hatte sich
nicht einmal zu Mussolinis Zeiten bereichern wollen, er war
immer ein treuer gregario gewesen, wie es damals hieß, ein
einfacher Soldat. Dafür hatte er ab 1935 alle Kriege
mitgemacht und die schwersten Kämpfe erlebt, keinen
einzigen hatte er verpaßt – er schien überall gleichzeitig sein
zu können –, von Guadalajara in Spanien über Bir el Gobi in
Nordafrika bis Axum in Äthiopien. Dann Gefangenschaft in
Texas,
Ablehnung
der
Kollaboration,
infolgedessen
verschärfte Haft bei Wasser und Brot. Er repräsentierte also,
schloß Montalbano, die historische Erinnerung an historische
Fehler, die er allerdings in naiver Treue miterlebt und für die
er persönlich bezahlt hatte: Er hatte schlimme Verletzungen
davongetragen und hinkte mit dem linken Bein.
»Wenn Sie dazu in der Lage gewesen wären, hätten Sie
dann in Salò gekämpft, mit den Deutschen und den
italienischen Faschisten?« hatte Montalbano ihn einmal
hinterlistig gefragt; er mochte ihn auf seine Weise, ja, denn in
diesem großen Kinofilm über Korrupte, Erpresser,
Mittelsmänner,
Schmiergeldzahler,
Lügner,
Diebe,
Meineidige, zu dem täglich neue Sequenzen hinzukamen,
empfand der Commissario seit einiger Zeit wachsende
Zuneigung zu solchen Personen, die er als unheilbar aufrichtig
kannte.
Bei dieser Frage hatte er gesehen, wie der Alte sich
innerlich krümmte, sein
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