Commissario Montalbano 02 - Der Hund aus Terracotta
erstaunliche Bewegungsablauf
wirkte recht mühelos, aber der Commissario sah, wie sich nun
die Brust seines Kollegen unter schweren Atemzügen hob und
senkte. Galluzzo legte die Maschinenpistole an und gab dem
Commissario mit einem Zeichen zu verstehen, daß er für Teil
zwei bereit sei. Montalbano warf einen Blick zu Germanà
hinüber, der guter Dinge und ganz entspannt zu sein schien.
»Ich geh' jetzt los«, formte der Commissario lautlos mit
den Lippen.
»Ich decke Sie«, antwortete Germanà auf die gleiche
Weise und wies mit dem Kopf auf die Maschinenpistole, die er
in den Händen hielt.
Der erste Satz des Commissario nach vorn war
mindestens wie aus dem Handbuch, wenn nicht sogar aus
einem Lehrwerk: ein entschiedenes und ausbalanciertes
Abheben vom Boden – eines Hochsprungsportlers würdig –,
ein luftigleichtes Schweben, eine saubere und gekonnt
vollendete Landung, die einen Tänzer entzückt hätte. Galluzzo
und Germanà, die ihn von verschiedenen Stellen aus
beobachteten, beglückwünschten sich beide zu ihrem
sportlichen Chef. Der zweite Satz begann gemessener als der
erste, doch als Montalbano aufrecht in der Luft stand, klappte
irgendwas nicht, und er neigte sich plötzlich wie der schiefe
Turm von Pisa zur Seite, so daß die Landung eine echte
Lachnummer wurde. Erst schwankte er und breitete auf der
Suche nach einem nicht vorhandenen Halt die Arme aus, dann
plumpste er auf die Seite. Galluzzo wollte ihm instinktiv zu
Hilfe kommen, behe rrschte sich aber gerade noch und drückte
sich wieder gegen die Mauer. Auch Germanà schnellte hoch,
legte sich aber sofort wieder hin. Gott sei Dank war die ganze
Sache nur inszeniert, dachte der Commissario, sonst hätte
Tano sie in diesem Augenblick wie Kegel umschießen können.
Montalbano stieß die herzhaftesten Flüche seines umfassenden
Repertoires aus und suchte, auf allen vieren krabbelnd, seine
Pistole, die ihm bei dem Sturz aus der Hand gefallen war.
Endlich sah er sie unter einem Strauch wilder Melonen,
aber als er mit seinem Arm hineinlangte, um sie an sich zu
nehmen, platzten die Früchte auf, und die kleinen Kerne
spritzten ihm ins Gesicht. Frustriert und verärgert gestand sich
der Commissario ein, daß er vom Gangsterhelden zu einem
billigen Slapstickdarsteller abgestiegen war. Er hatte keine
Lust mehr, noch weiter den Athleten oder Tänzer zu spielen,
also legte er die wenigen Meter, die ihn vom Haus trennten,
mit schnellen Schritten in nur leicht gebückter Haltung zurück.
Montalbano und Galluzzo blickten sich an und
verständigten sich wortlos. Sie stellten sich drei Schritte vor
der Haustür auf, die nicht sehr stabil aussah, holten tief Luft
und warfen sich mit ihrem ganzen Körpergewicht dagegen.
Die Tür, kaum dicker als Papier, hätte wahrscheinlich schon
bei einem Schlag mit der Hand nachgegeben, und so flogen
die beiden mit Schwung ins Hausinnere. Der Commissario
schaffte es erstaunlicherweise zu bremsen, doch Galluzzo
hatte einen solchen Schwung, daß er durch das ganze Zimmer
sauste und mit dem Gesicht gegen die Wand knallte, wobei er
sich die Nase aufschlug und halb im Blut erstickte, das in
Strömen lief. Im schwachen Licht der Petroleumlampe, die
Tano angelassen hatte, hatte der Commissario Gelegenheit, die
schauspielerischen Fähigkeiten des Grecu zu bewundern, der
tat, als sei er im Schlaf überrascht worden, fluchend aufsprang
und in Richtung seiner Kalaschnikow stürzte, die jetzt am
Tisch, also nicht mehr neben dem Feldbett lehnte. Montalbano
war bereit, seine Chargenrolle zu spielen, wie es im Theater
heißt.
»Stehenbleiben! Im Namen des Gesetzes, stehenbleiben,
oder ich schieße!« schrie er, so laut er konnte, und schoß
viermal an die Decke. Tano blieb reglos stehen und hob die
Arme. Galluzzo, der fürchtete, daß sich im oberen Zimmer
jemand versteckte, gab eine Salve auf die Holztreppe ab. Als
Fazio und Gallo draußen die Schüsse hörten, feuerten sie zur
Abschreckung in Richtung Fenster. Im Haus waren alle schon
ganz betäubt von dem Krach, als Germanà angerannt kam und
noch eins draufsetzte: »Stehenbleiben, oder ich schieße!«
Er hatte seine Drohung noch nicht ganz ausgesprochen,
da schoben Fazio und Gallo ihn auch schon mit festem Griff
zwischen
Montalbano
und
Galluzzo,
der
seine
Maschinenpistole abgelegt und ein Taschentuch aus der
Hosentasche gezogen hatte, mit dem er versuchte, sich die
Nase zuzudrücken; sein Hemd, seine Krawatte,
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