Commissario Montalbano 02 - Der Hund aus Terracotta
seine Jacke –
alles war voller Blut. Gallo erschrak, als er ihn so sah.
»Hat er auf dich geschossen? Hat er auf dich geschossen,
dieser Scheißkerl?« zischte er wütend und wandte sich Tano
zu, der immer noch mit Engelsgeduld und erhobenen Händen
darauf wartete, daß die Ordnungshüter Ordnung in das Chaos
brachten, das sie angerichtet hatten.
»Nein, er hat nicht auf mich geschossen. Ich bin gegen
die Wand geknallt«, brachte Galluzzo kläglich hervor. Tano
sah niemanden an, sondern blickte konzentriert auf seine
Schuhspitzen.
Jetzt muß er gleich lachen, dachte Montalbano und befahl
Galluzzo barsch: »Leg ihm Handschellen an.«
»Ist er es?« fragte Fazio leise.
»Natürlich ist er es, erkennst du ihn nicht?« erwiderte
Montalbano.
»Was machen wir jetzt?«
»Setzt ihn ins Auto, und bringt ihn nach Montelusa in die
Questura. Unterwegs rufst du den Questore an, erklärst ihm
alles und läßt dir sagen, was zu tun ist. Schaut, daß ihn
niemand sieht und ihn erkennt. Vorerst muß die Verhaftung
absolut geheim bleiben. Los jetzt.«
»Und Sie?«
»Ich schau' mir mal das Haus an, ich durchsuche es, man
kann nie wissen.«
Fazio und seine Kollegen nahmen den gefesselten Tano
in die Mitte und gingen Richtung Tür, Germanà trug die
Kalaschnikow des Gefangenen. Erst da hob Tano den Kopf
und warf Montalbano einen Blick zu. Der Commissario stellte
fest, daß seine Augen nicht mehr statuenhaft waren, sie waren
beseelt, fast belustigt. Als die fünf am Ende des Weges aus
seinem Blickfeld verschwunden waren, kehrte Montalbano ins
Haus zurück, um mit der Durchsuchung zu beginnen. Er
öffnete die Kredenz, nahm die Weinflasche heraus, die noch
halbvoll war, und ließ sich mit ihr im Schatten eines
Olivenbaumes nieder, um sie sich in aller Ruhe zu Gemüte zu
führen. Die Verhaftung des gefährlichen gesuchten Mörders
war glücklich zu Ende gebracht.
Mimì Augello schien der Teufel in den Leib gefahren zu sein –
kaum hatte Montalbano das Büro betreten, stürzte er sich auf
ihn.
»Wo, um Himmels willen, warst du? Wo hast du dich
versteckt? Was ist mit den anderen? Findest du das etwa in
Ordnung, du Arschloch?«
Wenn er derart ausrastete, dann war er wirklich in Rage:
In den drei Jahren, die sie jetzt zusammenarbeiteten, hatte der
Commissario von seinem Vice noch nie ein derbes Wort
gehört. Nein, das stimmte nicht ganz: Als so ein Idiot
Tortorella in den Bauch geschossen hatte, hatte er genauso
reagiert. »Mimì, was ist denn mit dir los?«
»Was mit mir los ist? Ich hatte Angst!«
»Angst? Weswegen denn?«
»Hier haben mindestens sechs Leute angerufen. Alle
haben unterschiedliche Details erzählt, aber in der Hauptsache
waren sie einig: eine Schießerei mit Toten und Verletzten.
Einer hat sogar von einem Blutbad geredet. Du warst nicht zu
Haus, Fazio und die anderen waren mit dem Auto weg, ohne
auch nur einen Ton zu sagen... Ich hab' einfach zwei und zwei
zusammengezählt. War das etwa verkehrt?«
»Nein, nein. Aber du brauchst nicht auf mich sauer zu
sein, höchstens auf das Telefon, das ist schuld dran.«
»Was hat denn das Telefon damit zu tun?«
»Es hat allerdings was damit zu tun! Weil es heutzutage
auch in der letzten Hütte auf dem Land ein Telefon gibt. Und
was tun die Leute, wenn sie ein Telefon im Haus haben? Sie
telefonieren. Sie erzählen wahre und eingebildete, mögliche
und unmögliche Dinge und Träume wie in der Komödie von
Eduardo de Filippo, wie heißt sie noch mal, ach ja, Le voci di
dentro, sie regen sich auf und regen sich wieder ab und sagen
ihren Namen nicht. Sie wählen Nummern, bei denen man zum
Nulltarif anrufen und die übelsten Sachen von sich geben
kann, ohne dafür geradestehen zu müssen! Und die
Mafiaexperten sind begeistert: In Sizilien lichtet sich die
omertà, das Gesetz des Schweigens, die Komplizenschaft
nimmt ab, die Angst nimmt ab! Ein Scheiß nimmt ab, bloß die
Telefonrechnung nimmt zu!«
»Montalbà, hör auf, mich vollzulabern! Stimmt es, daß es
Tote und Verletzte gegeben hat?«
»Nichts stimmt. Es hat keinen Kampf gegeben, wir haben
nur in die Luft geschossen, Galluzzo hat sich selber die Nase
blutig geschlagen, und der hat sich ergeben.«
»Wer, der?«
»Ein Flüchtiger.«
»Ja, aber wer?«
Catarella stürzte atemlos herein und erlöste ihn aus der
Verlegenheit, antworten zu müssen.
»Dottori, der Signor Quistore ist am Telefon!«
»Ich sag's dir nachher«, sagte Montalbano und
verschwand
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