Commissario Montalbano 02 - Der Hund aus Terracotta
hatten, kündigten aus
Protest ihren Rücktritt an; eine leichte Brise der Empörung
belebte die Interviews auf der Straße.
Er schaltete ins erste der beiden lokalen Programme um.
»Televigàta« war in jedem Fall regierungsfreundlich, ganz
gleich, ob die Regierung rot, schwarz oder himmelblau war.
Der Sprecher erwähnte die Verhaftung von Tano u Grecu
nicht, sondern sagte nur, ein paar eifrige Bürger hätten dem
Kommissariat von Vigàta eine ebenso heftige wie mysteriöse
Schießerei am frühen Morgen in einer Gegend namens La
Noce gemeldet, die Beamten, die sofort an Ort und Stelle
waren, hätten jedoch nichts Ungewöhnliches festgestellt. Auch
Nicolò Zito, der Journalist von »Retelibera«, der mit seiner
kommunistischen Überzeugung nicht hinter dem Berg hielt,
erwähnte Tanos Verhaftung mit keinem Wort. Ein Beweis
dafür, daß die Nachricht zum Glück nicht durchgesickert war.
Zito sprach jedoch völlig unerwartet von dem absurden
Diebstahl in Ingrassias Supermarkt und der unerklärlichen
Auffindung des Lastwagens mit dem gesamten Diebesgut.
Man sei allgemein der Auffassung, berichtete Zito, daß das
Fahrzeug nach einem Streit zwischen den Komplizen um die
Aufteilung der Beute stehengelassen worden sei. Das glaubte
Zito jedoch nicht, seiner Meinung nach mußte die Sache
anders gelaufen sein, die Angelegenheit war bestimmt viel
komplexer.
»Commissario Montalbano, ich wende mich direkt an Sie.
Meinen Sie nicht auch, daß die Geschichte vertrackter ist, als
es den Anschein hat?« fragte der Journalist abschließend.
Als Montalbano hörte, wie er persönlich angesprochen
wurde, und Zitos Augen sah, die ihn aus dem Apparat
anblickten, während er beim Essen saß, verschluckte er sich
am Wein, den er gerade trank, rang nach Luft, hustete und
fluchte.
Als er fertig gegessen hatte, zog er seine Badehose an und
ging ins Wasser. Es war eiskalt, aber beim Schwimmen
kehrten seine Lebensgeister zurück.
»Erzählen Sie der Reihe nach, was geschehen ist«, sagte der
Questore.
Nachdem er den Commissario hereingebeten hatte, war er
aufgestanden, ihm entgegengegangen und hatte ihn
schwungvoll umarmt.
Montalbano hatte ein Problem, er war nämlich absolut
unfähig, Leute, von denen er wußte, daß sie anständig waren,
oder die er schätzte, zu belügen und ihnen Märchen
aufzutischen. Doch Verbrechern, Leuten, die ihm nicht
gefielen, konnte er dagegen die irrsten Geschichten erzählen,
ohne eine Miene zu verziehen, da konnte er behaupten, er habe
mit eigenen Augen gesehen, daß der Mond Zacken habe. Da er
aber seinen Vorgesetzten nicht nur schätzte, sondern schon so
manches Mal wie zu einem Vater mit ihm geredet hatte,
versetzte ihn diese Aufforderung in große Verlegenheit, er
wurde rot, schwitzte und rutschte auf dem Stuhl herum, als sei
dieser der Grund für sein Unbehagen.
Der Questore merkte, daß dem Commissario nicht wohl
war, schrieb diesen Zustand jedoch der Tatsache zu, daß
Montalbano wirklich immer litt, wenn er über eine Aktion
berichten sollte, die er gut zu Ende gebracht hatte. Der
Questore hatte nicht vergessen, daß Montalbano bei der letzten
Pressekonferenz vor den Fernsehkameras eigentlich nur ein
langes, mühsames Gestammel von sich gegeben hatte, das
streckenweise jeglichen Sinn vermissen ließ, die Augen weit
aufgerissen, mit unruhigen Pupillen, als wäre er betrunken
gewesen.
»Ich möchte einen Rat, bevor ich zu erzählen anfange.«
»Bitte.«
»Was soll ich in meinem Bericht schreiben?«
»Wie bitte? Es ist doch nicht Ihr erster Bericht! In einem
Bericht schreibt man, was geschehen ist«, antwortete der
Questore barsch und etwas irritiert. Und weil Montalbano
immer noch nicht redete, fuhr er fort: »Apropos – Sie haben
geschickt und mutig von einer zufälligen Begegnung profitiert
und eine gelungene Polizeiaktion daraus gemacht,
einverstanden, aber...«
»Eben, ich wollte Ihnen sagen...«
»Lassen Sie mich ausreden. Aber ich muß doch
feststellen, daß Sie ein hohes Risiko eingegangen sind und
Ihre Leute einer großen Gefahr ausgesetzt haben, Sie hätten
massive
Verstärkung
anfordern
und
entsprechende
Vorkehrungen treffen müssen. Zum Glück ist alles
gutgegangen, aber es war ein Vabanquespiel, das muß ich
Ihnen ganz ehrlich sagen. Jetzt sind Sie dran.«
Montalbano betrachtete die Finger seiner linken Hand, als
wären sie ihm plötzlich gewachsen und als wüßte er nicht, was
er mit ihnen anfangen
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