Commissario Montalbano 02 - Der Hund aus Terracotta
gegrillte
gamberoni, die glauben Sie nicht zu essen, sondern zu
träumen.«
Montalbano trat ein, weniger seinem Appetit als dieser
Vorstellung erlegen. Als er fertig gegessen hatte, schob er die
Teller weg, kreuzte die Arme auf dem Tisch, legte seinen
Kopf darauf und schlief ein. Er aß meistens in einem
Nebenzimmer mit drei Tischen, so konnte der Kellner Serafino
die Gäste leicht in den Saal dirigieren, damit der Commissario
seine Ruhe hatte. Als der Chef gegen – vier das Lokal war
schon geschlossen – sah, daß Montalbano kein Lebenszeichen
von sich gab, bereitete er ihm eine Tasse starken Kaffee zu
und weckte ihn behutsam auf.
Sechs
Den von Catarella angekündigten höchstpersönlichen Brief
hatte Montalbano völlig vergessen, er fiel ihm erst wieder ein,
als er ins Haus kam und darauf trat; der Postbote hatte ihn
unter der Tür durchgeschoben. Die Adresse sah aus wie bei
einem anonymen Brief: Montalbano – Commissariato – Città.
Und oben links der Hinweis persönlich, der leider Catarellas
Hirnwindungen in Aufruhr versetzt hatte.
Doch der Brief war alles andere als anonym. Er sah gleich
nach der Unterschrift – das war ein harter Schlag.
Sehr
geehrter
Commissario,
ich
werde
höchstwahrscheinlich nicht in der Lage sein, wie vereinbart
morgen früh zu Ihnen zu kommen. Gesetzt den Fall – was sehr
wahrscheinlich ist –, daß die Sitzung des Parteivorstands in
Montelusa, zu der ich mich begeben werde, sobald ich diesen
Brief beendet habe, auf einen Mißerfolg meiner Thesen
hinausläuft, halte ich es für meine Pflicht, nach Palermo zu
fahren, um Geist und Gewissen jener Kameraden aufzurütteln,
die innerhalb der Partei wirklich entscheidende Ämter
bekleiden. Ich bin auch bereit, nach Rom zu fliegen und den
Segretario Nazionale um Audienz zu bitten. Sollten diese
meine Vorhaben verwirklicht werden müssen, würde sich
unser Treffen etwas verschieben, ich bitte Sie daher um
Entschuldigung, wenn ich Ihnen das, was ich Ihnen mündlich
und persönlich sagen wollte, nun schriftlich mitteile. Wie Sie
sich gewiß erinnern, kam ich am Tag nach dem merkwürdigen
Diebstahl, der vielleicht gar keiner war, im Supermarkt
spontan ins Kommissariat, um zu berichten, was ich zufällig
gesehen hatte, nämlich mehrere Männer, die – obzwar zu
ungewohnter Stunde – in aller Ruhe bei voller Beleuchtung
und unter der Aufsicht einer Person in Uniform, die ich für die
Uniform des Nachtwächters hielt, arbeiteten. Niemandem
wäre im Vorbeifahren etwas Ungewöhnliches an dieser Szene
aufgefallen: Hätte ich selbst etwas Außergewöhnliches
bemerkt, hätte ich umgehend die Polizei informiert.
In der Nacht nach meiner Zeugenaussage konnte ich kein
Auge zutun, weil mich die Diskussionen mit einigen
Kameraden furchtbar aufgeregt hatten, und so kam ich auf den
Gedanken, mir die Szene mit dem Diebstahl noch einmal in
Erinnerung zu rufen. Erst da fiel mir etwas ein, das
möglicherweise sehr wichtig ist. Als ich von Montelusa
zurückfuhr, nahm ich, erregt wie ich war, die falsche
Zufahrtsstraße nach Vigàta, die in jüngster Zeit durch eine
Reihe unsinniger Einbahnregelungen verkompliziert wurde.
So bog ich anstatt in die Via Granet in die alte Via Lincoln
ein, weswegen ich mich plötzlich in der Gegenrichtung
befand. Ich bemerkte meinen Fehler nach etwa fünfzig
Metern, legte den Rückwärtsgang ein und fuhr bis auf die
Höhe Vicolo Trupìa, wo ich rückwärts hätte einbiegen
müssen, um mich wieder in der richtigen Richtung zu
befinden. Es war mir jedoch nicht möglich, in die Gasse
einzubiegen, weil ich dieselbe buchstäblich blockiert vorfand,
und zwar durch einen großen Wagen vom Typ »Ulisse« – für
den in diesen Tagen schon umfangreich geworben wurde, der
jedoch, abgesehen von wenigen Exemplaren, noch nicht zum
Verkauf stand – mit dem Kennzeichen Montelusa 328280. So
blieb mir nichts anderes übrig, als weiterhin gegen die
Straßenverkehrsordnung zu verstoßen. Nach wenigen Metern
kam ich zur Piazza Chiesa Vecchia, wo sich der Supermarkt
befindet.
Ich erspare Ihnen weitere Nachforschungen: Jener
Wagen, übrigens der einzige seiner Art im Ort, gehört Signor
Carmelo Ingrassia. Ingrassia wohnt in Monte Ducale, was
hatte da sein Wagen ein paar Schritte vom Supermarkt –
ebenfalls Ingrassias Eigentum –, der offenbar inzwischen
ausgeräumt wurde, verloren? Die Antwort überlasse ich Ihnen.
Ihr ergebenster
Cav. Gerlando Misuraca
»Hättest
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