Commissario Montalbano 02 - Der Hund aus Terracotta
ein
brüderlicher Freund des Cavaliere, sondern bekannte sich zu
den Ideen der extremen Rechten und war nicht ganz richtig im
Kopf.
»Sprechen Sie von Misuraca?«
»Nein, von meinem Opa.«
»Und was sollte ich da tun?«
»Die Mörder verhaften. Dazu sind Sie verpflichtet.«
»Und wer sollen diese Mörder sein?«
»Sie sollen nicht sein, sie sind. Ich rede vom Vorstand der
Partei, die es nicht verdient hat, ihn in ihren Reihen zu haben.
Sie haben ihn umgebracht.«
»Entschuldigen Sie, aber soweit ich weiß, war es doch ein
Unfall?«
»Ach, Sie glauben wohl, daß ein Unfall ein Zufall ist?«
»Ich denke schon.«
»Da irren Sie sich aber. Jemand zieht einen Unfall
magnetisch an, und ein anderer sorgt dafür, daß er passiert. Ich
erkläre es Ihnen an einem Beispiel. Mimì Crapanzano ist
diesen Februar beim Schwimmen ertrunken. Tod durch Unfall.
Aber jetzt frage ich Sie: Wie alt war Mimì, als er starb?
Fünfundfünfzig. Warum wollte er es in diesem Alter noch mal
wissen und in der Eiseskälte baden gehen, wie er es als Junge
gemacht hat? Die Antwort ist folgende: Weil er noch nicht mal
vier Monate mit einer vierundzwanzigjährigen Mailänderin
verheiratet war, und als sie am Ufer spazierengingen, fragte
ihn das Mädchen: Liebling, hast du wirklich im Februar hier
gebadet? Klar, antwortete Crapanzano. Das Mädchen, das den
Alten anscheinend satt hatte, seufzte. Was hast du? fragte
Crapanzano blöd. Das hätte ich ja zu gern gesehen, sagte die
Hure. Ohne ein Wort zu sagen, zog Crapanzano sich aus und
sprang ins Wasser. Verstehen Sie?«
»Vollkommen.«
»Und jetzt zu den Herren vom Parteivorstand in
Montelusa. Nach einer ersten Sitzung, die mit groben Worten
zu Ende gegangen war, fand gestern eine weitere statt. Der
Cavaliere und ein paar andere verlangten vom Vorstand ein
Kommuniqué an die Journalisten gegen den Regierungserlaß,
der den Dieben das Gefängnis erspart. Diese Meinung teilten
aber nicht alle. Plötzlich sagte einer von denen zu Misuraca, er
gehöre zum alten Eisen, ein anderer meinte, er komme sich
vor wie im Puppentheater, ein dritter nannte ihn einen alten
Trottel. Das alles weiß ich von einem Freund, der dabei war.
Am Ende forderte ihn der Sekretär – ein unangenehmer Typ,
der nicht mal Sizilianer ist und mit Nachnamen Biraghìn heißt
– auf, den Raum zu verlassen, da er kein Recht habe, an der
Sitzung teilzunehmen. Das stimmte, aber so was hat sich noch
keiner erlaubt. Mein Freund stieg in seinen Cinquecento und
machte sich auf den Weg nach Vigàta. Natürlich hat er vor
Wut gekocht, aber die haben das extra gemacht, damit er
durchdreht. Und Sie wollen mir erzählen, daß das ein Unfall
war?«
Mit Bonfiglio konnte man nur vernünftig reden, wenn
man sich auf dasselbe Niveau begab, das wußte der
Commissario aus früheren Erfahrungen.
»Gibt es einen Typen im Fernsehen, der Ihnen besonders
unsympathisch ist?«
»Hunderttausend, aber Mike Bongiorno ist der
Schlimmste von allen. Wenn ich den sehe, kommt mir das
kalte Kotzen und ich könnte den Fernseher an die Wand
schmeißen.«
»Gut. Und wenn Sie diesen Showmaster gesehen haben
und sich dann ins Auto setzen, gegen eine Mauer fahren und
dabei umkommen, was müßte ich dann Ihrer Meinung nach
tun?«
»Mike Bongiorno verhaften«, sagte Bonfiglio knapp.
Als er ins Büro zurückkehrte, war er schon ruhiger, die
Begegnung mit Ernesto Bonfiglios Logik hatte ihn amüsiert
und abgelenkt.
»Gibt's was Neues?« fragte er, als er eintrat.
»Einen persönlichen Brief für Sie, der gerade mit der Post
gekommen ist«, sagte Catarella und betonte noch mal jede
einzelne Silbe: »Per-sön-lich.«
Auf seinem Schreibtisch lagen eine Postkarte von seinem
Vater und ein paar dienstliche Mitteilungen. »Catarè, wo hast
du den Brief hingetan?«
»Ich hab' doch gesagt, daß es ein persönlicher Brief ist!«
Der Beamte war gekränkt.
»Was heißt das?«
»Es heißt, daß man ihn der Person aushändigen muß, weil
er persönlich ist.«
»Schon gut, die Person steht hier vor dir, und wo ist der
Brief?«
»Da, wo er hingehört. Wo die Person persönlich wohnt.
Ich hab' dem Postboten gesagt, er soll ihn zu Ihnen nach Hause
bringen, Signor Dottori, nach Marinella.«
Vor der Trattoria San Calogero stand der Chef, der auch selbst
kochte, und schnappte ein bißchen frische Luft.
»Commissario, wohin so eilig?«
»Ich gehe heim, zum Essen.«
»Wie Sie meinen. Aber ich habe da so
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