Commissario Montalbano 02 - Der Hund aus Terracotta
verschwand.
Auf dem Weg ins Büro fühlte Montalbano sich von einem
undefinierbaren, jedenfalls ekelhaften Geruch umweht, einer
Mischung aus Terpentin und einem bestimmten Puder, den die
Nutten vor dreißig Jahren benutzt hatten. Es waren seine
Haare, die so stanken.
»Ingrassia sitzt in Ihrem Büro«, flüsterte Tortorella, als
handele es sich um eine Verschwörung.
»Wo ist Fazio hin?«
»Nach Hause, sich umziehen. Die Questura hat
angerufen. Fazio, Gallo, Galluzzo und Germanà müssen auch
an der Pressekonferenz teilnehmen.«
Anscheinend hat mein Anruf bei diesem Arschloch
Sciacchitano gewirkt, dachte Montalbano.
Ingrassia, diesmal ganz in Blaßgrün, machte Anstalten,
sich zu erheben.
»Bleiben Sie doch sitzen«, sagte der Commissario und
nahm hinter seinem Schreibtisch Platz. Er fuhr sich zerstreut
durchs Haar, und sofort machte sich wieder der Geruch nach
Terpentin und Puder breit. Beunruhigt hielt er sich seine
Finger unter die Nase, roch daran und fand seinen Verdacht
bestätigt. Aber er konnte nichts dagegen tun, in der Toilette
des Büros hatte er kein Shampoo. Sofort setzte er wieder sein
Friseurgesicht auf. Als Ingrassia ihn mit dieser Grimasse sah,
rutschte er unruhig auf seinem Stuhl hin und her.
»Was ist?« fragte er.
»Inwiefern denn?«
»Na ja... so überhaupt«, sagte Ingrassia betreten.
»Hm«, brummte Montalbano ausweichend. Er roch
wieder an seinen Fingern, und das Gespräch verstummte.
»Haben Sie schon von dem armen Cavaliere gehört?«
fragte der Commissario, als säßen sie freundschaftlich
plaudernd im Wohnzimmer.
»Tja, so ist das Leben«, seufzte der andere zerknirscht.
»Stellen Sie sich vor, Signor Ingrassia: Ich hatte ihn
gefragt, ob er noch mal kommen könne, um mir Genaueres
über das zu erzählen, was er in der Nacht des Diebstahls
gesehen hatte. Wir hatten schon einen Termin vereinbart, aber
dann...«
Ingrassia breitete die Arme zu einer Geste aus, die
besagte, Montalbano solle vor dem Schicksal kapitulieren.
Nach einer gebührenden Denkpause fragte er: »Entschuldigen
Sie, aber was hätte Ihnen der arme Cavaliere denn Genaueres
erzählen können? Er hat doch alles gesagt, was er gesehen
hat.«
Montalbano wedelte verneinend mit dem Zeigefinger.
»Sie meinen, er hat nicht alles gesagt, was er gesehen
hat?« fragte Ingrassia beunruhigt.
Wieder wedelte Montalbano verneinend mit dem Finger.
Jetzt laß ich dich zappeln, du Hund, dachte er.
Der grüne Zweig, der Ingrassia war, bewegte sich wie in
einem leichten Wind hin und her. »Aber was wollten Sie denn
von ihm wissen?«
»Was er glaubte, nicht gesehen zu haben.«
Aus dem leichten Wind wurde ein heftiger, der Zweig
schwankte. »Ich verstehe nicht.«
»Ich erkläre es Ihnen. Sie haben doch bestimmt das
Gemälde von Pieter Bruegel Die Kinderspiele schon mal
gesehen?«
»Wer? Ich? Nein«, sagte Ingrassia beklommen.
»Macht nichts. Aber Sie haben sicher schon mal was von
Hieronymus Bosch gesehen.«
»Nein«, sagte Ingrassia und begann zu schwitzen. Jetzt
war er wirklich verstört, und sein Gesicht färbte sich grün wie
sein Anzug.
»Egal. Lassen wir das«, sagte Montalbano generös. »Ich
wollte sagen, daß man sich, wenn man eine bestimmte Szene
gesehen hat, von dieser Szene an den ersten allgemeinen
Eindruck erinnert, den man hatte. Einverstanden?«
»Einverstanden«, murmelte Ingrassia, inzwischen auf das
Schlimmste gefaßt.
»Und dann kommen einem nach und nach wieder ein paar
Details in den Sinn, die man gesehen und im Kopf registriert,
aber als unwichtig beiseitegeschoben hat. Ein paar Beispiele:
ein offenes oder geschlossenes Fenster, ein Geräusch, was
weiß ich, ein Pfiff, ein Lied, ein weggerückter Stuhl, ein Auto,
das an einer Stelle stand, wo es nicht hingehörte, ein Licht, das
ausging... Solche Dinge, Details, Einzelheiten eben, die sich
am Ende als äußerst wichtig herausstellen.«
Ingrassia zog ein weißes Taschentuch mit grünem Saum
aus der Hosentasche und trocknete sich damit den Schweiß ab.
»Haben Sie mich nur kommen lassen, um mir das zu
sagen?«
»Nein. Dann hätte ich Sie umsonst bemüht, das würde ich
mir nie erlauben. Ich wollte wissen, ob Sie etwas von den
Leuten gehört haben, die Ihnen, wie Sie meinen, den Streich
mit dem fingierten Diebstahl gespielt haben.«
»Es ist niemand aufgetaucht.«
»Merkwürdig.«
»Warum?«
»Weil das Schöne an einem Streich doch ist, daß man
hinterher mit dem Opfer darüber lachen
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