Commissario Montalbano 02 - Der Hund aus Terracotta
unter dem gestrigen Datum schreiben. Habe
ich mich klar genug ausgedrückt?«
Er hatte seinem Ärger Luft gemacht und fühlte sich schon
besser. Dann rief er Catarella an.
»Ist Dottor Augello im Büro?«
»Nein, aber er hat gerade angerufen. Er hat gesagt, daß er
ungefähr zehn Minuten weit weg ist und ungefähr in zehn
Minuten ins Büro kommt.«
Montalbano nutzte die Zeit, um sich mit dem falschen
Bericht zu befassen, den echten hatte er schon in der Nacht
zuvor zu Hause geschrieben. Dann klopfte es an der Tür, und
Augello trat ein.
»Du wolltest mich sprechen?«
»Fällt es dir wirklich so schwer, ein bißchen früher ins
Büro zu kommen?«
»Entschuldige, aber ich hatte bis fünf Uhr morgens zu
tun, dann bin ich heimgefahren und bin eingeschlafen, und das
war's dann.«
»Du hattest wohl mit einer dieser Nutten zu tun, auf die
du so stehst? Eine von denen, die mindestens hundertzwanzig
Kilo auf die Waage bringen?«
»Hat Catarella dir denn nichts gesagt?«
»Er hat gesagt, du würdest später kommen.«
»Heute nacht gegen zwei hat es einen tödlichen Unfall
gegeben. Ich bin hingefahren und habe mir gedacht, ich lasse
dich schlafen, weil die Sache für uns nicht wichtig war.«
»Für die Toten ist es vielleicht schon wichtig.«
»Für den Toten, es war nur einer. Er ist die Catena, diese
abschüssige Strecke, bergab gerast, offensichtlich haben die
Bremsen versagt, und hat sich unter einem Lastwagen verkeilt,
der in entgegengesetzter Richtung bergauf fuhr. Der Ärmste
war auf der Stelle tot.«
»Kanntest du ihn?«
»Natürlich kannte ich ihn. Und du auch. Cavaliere
Misuraca.«
»Montalbano?
Palermo
hat
gerade
angerufen.
Die
Pressekonferenz ist nicht nur notwendig, sie muß auch eine
gewisse Resonanz haben. Sie brauchen sie für ihre Strategie.
Journalisten aus anderen Städten werden kommen, die
nationalen Nachrichten werden darüber berichten. Eine
ziemlich große Sache also.«
»Man will wohl zeigen, daß die neue Regierung im
Kampf gegen die Mafia nicht lockerläßt, sondern daß dieser
vielmehr noch unerbittlicher und ohne Waffenstillstand
geführt wird...«
»Montalbano, was ist los mit Ihnen?«
»Nichts, ich lese nur die Schlagzeilen von übermorgen.«
»Die Pressekonferenz ist für morgen um zwölf angesetzt.
Ich wollte Ihnen zeitig Bescheid geben.«
»Vielen Dank, Signor Questore, aber was habe ich damit
zu tun?«
»Montalbano, ich bin lieb und nett, aber strapazieren Sie
mich bitte nicht zu sehr. Natürlich haben Sie etwas damit zu
tun! Stellen Sie sich doch nicht so an!«
»Und was bitte soll ich sagen?«
» Ma benedetto Iddio! Sie sagen das, was Sie im Bericht
geschrieben haben.«
»In welchem?«
»Wie bitte? Was haben Sie gesagt?«
»Nichts.«
»Versuchen Sie, deutlich zu sprechen, verstümmeln Sie
die Wörter nicht, schauen Sie nicht immer nach unten. Ach ja,
und die Hände. Überlegen Sie sich ein für allemal, wo Sie Ihre
Hände hintun, und da lassen Sie sie dann auch. Nicht wie
letztes Mal, als der Journalist vom ‚Corriere’ vorschlug, man
sollte sie Ihnen abschneiden, damit Sie sich wohl fühlen.«
»Und wenn sie mich fragen?«
»Natürlich werden sie Sie fragen, und sei es nur, damit
sie ihr mieses Italienisch anwenden können. Sie sind
schließlich Journalisten, oder? Auf Wiederhören.«
Montalbano war so nervös wegen der Ereignisse, die sich
momentan abspielten und sich am nächsten Tag abspielen
würden, daß er es im Büro nicht aushielt. Er ging in den
Laden, in den er immer ging, kaufte sich eine große Tüte
Erdnüsse und machte sich auf den Weg zur Mole. Als er am
Leuchtturm ankam und sich umdrehte, um wieder
zurückzugehen, stand er plötzlich Ernesto Bonfiglio
gegenüber, Eigentümer eines Reisebüros und enger Freund des
eben zu Tode gekommenen Cavaliere Misuraca.
»Kann man da nichts tun?« fragte Bonfiglio ihn mit
aggressivem Unterton.
Montalbano, der gerade versuchte, sich eine Erdnuß
herauszupuhlen, die zwischen zwei Zähnen steckte, sah ihn
verwirrt an.
»Ich habe gefragt, ob man da nichts tun kann«,
wiederholte Bonfiglio, der ganz grau im Gesicht war, und sah
ihn schief an.
»Tun wofür?«
»Für meinen armen Verstorbenen.«
»Möchten Sie?« fragte der Commissario und hielt ihm die
Tüte hin.
»Danke«, sagte der andere und nahm sich eine Handvoll
Nüsse.
Montalbano nutzte die kleine Pause, um sein Gegenüber
besser einschätzen zu können: Er war nicht nur
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