Commissario Montalbano 02 - Der Hund aus Terracotta
Antimafia ist, Sciacchitano heißt er, glaub' ich.«
Dieses Arschloch, ging es dem Commissario durch den
Kopf, aber er sagte nichts.
»Er hat mich angeschaut, als würde ich stinken, wie einen
Bettler, der auf ein Almosen wartet. Er hat mich noch eine
Zeitlang angeschaut und dann gesagt: Dir ist doch klar, daß du
in diesem Zustand nicht vor den Signor Prefetto treten
kannst?«
Galluzzo war so gekränkt wegen der unmöglichen
Behandlung, daß es ihm schwerfiel, leise zu sprechen.
»Und vorwurfsvoll hat er auch noch geguckt, als wäre das
meine Schuld! Dann ist er schimpfend rausgegangen. Später
hat mir ein Kollege eine saubere Jacke und ein Hemd
gebracht.«
»Jetzt bin ich dran«, mischte sich Fazio ein, schließlich
hatte er den höheren Rang. »Um es kurz zu machen – von drei
Uhr nachmittags bis Mitternacht wurde jeder von uns achtmal
von acht verschiedenen Leuten vernommen.«
»Und was wollten sie wissen?«
»Wie die Geschichte vor sich gegangen ist.«
»Mich haben sie sogar zehnmal vernommen«, sagte
Germanà nicht ohne Stolz. »Anscheinend kann ich am besten
erzählen, und sie sind sich vorgekommen wie im Kino.«
»Gegen ein Uhr nachts haben sie uns zusammengelegt«,
fuhr Fazio fort, »sie brachten uns in ein riesiges Zimmer, eine
Art großes Büro mit zwei Sofas, acht Stühlen und vier
Tischen. Sie zogen die Telefonstecker raus und nahmen die
Telefone mit. Dann brachten sie uns vier mickrige panini und
vier pißwarme Bier. Wir machten es uns so bequem wie
möglich, und um acht Uhr morgens kam einer und sagte, wir
könnten wieder nach Vigàta fahren. Kein guten Morgen, nicht
mal hau ab, was man immerhin noch sagt, wenn man einen
Hund wegjagt. Nichts.«
»Ist ja gut«, sagte Montalbano. »Was soll man da schon
machen? Fahrt nach Hause, ruht euch aus, und kommt am
späten Nachmittag wieder her. Ich verspreche euch, daß ich
dem Questore diese Geschichte erzähle.«
» Pronto ? Hier ist Commissario Salvo Montalbano in Vigàta.
Ich möchte mit Commissario Arturo Sciacchitano sprechen.«
»Bitte bleiben Sie am Apparat.«
Montalbano nahm ein Blatt Papier und einen Stift. Er
zeichnete gedankenverloren vor sich hin und merkte erst dann,
daß er einen Hintern auf einer Kloschüssel gemalt hatte.
»Tut mir leid, der Commissario ist in einer Sitzung.«
»Sagen Sie ihm, daß ich auch in einer Sitzung bin, dann
sind wir quitt. Er unterbricht seine Sitzung für fünf Minuten,
ich tue dasselbe mit meiner, und wir sind beide glücklich und
zufrieden.«
Er machte aus dem Hintern auf der Kloschüssel einen
kackenden Hintern.
»Montalbano? Was gibt es denn? Entschuldige, ich habe
wenig Zeit.«
»Ich auch. Hör zu, Sciacchitanov...«
»Wieso Sciacchitanov? Was soll der Quatsch?«
»Ach, heißt du nicht so? Bist du nicht beim KGB?«
»Ich bin nicht zum Scherzen aufgelegt.«
»Ich scherze nicht. Ich rufe dich vom Büro des Questore
aus an, der über die KGB-Methoden, mit denen du meine
Leute behandelt hast, empört ist. Er hat mir zugesagt, daß er
heute noch an den Minister schreibt.«
Das Phänomen war unerklärlich, aber es geschah
tatsächlich: Er sah förmlich durch die Telefonleitung, wie
Sciacchitano – allgemein als feiger Arschkriecher bekannt –
blaß wurde. Montalbanos Lüge hatte ihn wie ein Schlag auf
den Kopf getroffen.
»Was redest du da? Du muß doch verstehen, daß ich als
Verantwortlicher für die Sicherheit...«
Montalbano fiel ihm ins Wort. »Sicherheit schließt
Höflichkeit nicht aus«, sagte er lapidar und kam sich vor wie
ein Straßenschild, auf dem »Vorfahrt schließt Vorsicht nicht
aus« stand.
»Aber ich war sehr höflich! Ich habe ihnen Bier und
panini serviert!«
»Ich muß dir leider sagen, daß die Sache trotz panini und
Bier an höchster Stelle ein Nachspiel haben wird. Aber du
kannst dich damit trösten, daß du nichts dafür kannst,
Sciacchitano. Wer rund geboren wird, kann nicht viereckig
sterben.«
»Was heißt das?«
»Es heißt, daß du, der du blöd geboren bist, nicht
intelligent sterben kannst. Ich verlange einen an mich
adressierten Brief, in dem du meine Leute gründlich lobst.
Und zwar bis morgen. Auf Wiederhören.«
»Meinst du, daß der Questore nichts unternimmt, wenn
ich dir diesen Brief schreibe?«
»Ich will ehrlich sein: Ich weiß nicht, ob der Questore
etwas unternimmt oder nicht. Aber ich an deiner Stelle würde
den Brief schreiben. Um Konsequenzen vorzubauen. Und ich
würde ihn sogar
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