Commissario Montalbano 02 - Der Hund aus Terracotta
du mir das doch gleich gesagt, Cavaliere!« war
Montalbanos einziger Kommentar, als er mißgelaunt den Brief
ansah, den er auf den Tisch im Eßzimmer gelegt hatte. An
Essen war jetzt nicht mehr zu denken. Er öffnete den
Kühlschrank nur, um der Kochkunst seiner Haushälterin
betrübt die Ehre zu erweisen, und Ehre verdiente sie, denn
sogleich stieg ihm der betörende Duft von polipetti affogati in
die Nase. Er machte den Kühlschrank wieder zu, er konnte
einfach nicht, sein Magen war wie zugeschnürt. Er zog sich
aus und wanderte, nackt wie er war, am Ufer entlang, um diese
Zeit war da keine Menschenseele. Er war weder hungrig noch
müde. Gegen vier Uhr morgens sprang er ins eiskalte Wasser,
schwamm lange und ging dann nach Hause zurück. Als er
merkte, daß er einen Steifen hatte, mußte er lachen. Er
beschloß, mit ihm zu reden und ihn zur Vernunft zu bringen.
»Du brauchst dir gar keine Mühe zu geben.«
Der Steife flüsterte ihm ein, daß ihm ein Anruf bei Livia,
der nackten, schlafwarmen Livia im Bett, vielleicht guttun
würde.
»Du bist ein Idiot und redest dummes Zeug. Das ist doch
was für kleine Wichser.«
Beleidigt zog sich der Steife zurück. Montalbano
schlüpfte in eine Unterhose, legte sich ein trockenes Handtuch
über die Schultern, nahm einen Stuhl und setzte sich in die
Veranda, die auf den Strand hinausging.
Er sah aufs Meer hinaus, das ganz allmählich heller
wurde und sich dann färbte, von sonnengelben Streifen
durchzogen. Ein schöner Tag kündigte sich an, und der
Commissario fühlte sich getröstet und zu allem bereit.
Nachdem er den Brief des Cavaliere gelesen hatte, waren die
Ideen nicht ausgeblieben, das Bad im Meer hatte ihm
geholfen, sie zu ordnen.
»So können Sie aber nicht zu der Pressekonferenz
erscheinen.« Fazio musterte ihn streng.
»Du hast bei der Antimafia wohl was gelernt.«
Montalbano öffnete die dicke Nylontasche, die er in der
Hand hatte.
»Da, Hose, Jackett, Hemd und Krawatte. Ich ziehe mich
um, bevor ich nach Montelusa fahre. Ach ja, hol die Sachen
doch raus und häng sie über einen Stuhl, sonst verknittern
sie.«
»Sind sie eh schon. Aber ich meine nicht die Kleidung,
ich meine, wie Sie aussehen. Sie müssen unbedingt vorher
zum Friseur.«
Unbedingt, hatte Fazio gesagt, der ihn gut kannte und
wußte, welche Überwindung es den Commissario kostete, zum
Friseur zu gehen. Montalbano fuhr sich mit der Hand über den
Nacken und mußte zugeben, daß seine Haare einen Schnitt
vertragen konnten. Er schaute finster drein.
»Heute geht bestimmt alles schief!« prophezeite er.
Bevor er das Büro verließ, gab er Order, Carmelo
Ingrassia aufzusuchen und ihn ins Büro zu bringen, solange er
sich feinmachte.
»Wenn er mich fragt, warum, was soll ich dann
antworten?« fragte Fazio.
»Gar nichts.«
»Und wenn er darauf besteht?«
»Wenn er darauf besteht, dann sag ihm, ich will wissen,
seit wann er sich kein Klistier mehr hat geben lassen. Gut so?«
»Sie müssen doch nicht gleich sauer werden.«
Der Friseur, sein Gehilfe und ein Kunde, der auf einem der
beiden Drehstühle saß, die mit Müh und Not in den Salon –
eigentlich ein Winkel unter der Treppe – hineinpaßten,
unterhielten sich laut und angeregt, verstummten aber beim
Anblick des Commissario sofort. Montalbano war mit seinem
– wie er es selbst nannte –»Friseurgesicht« hereingekommen:
Mund schmallippig, Augen argwöhnisch halb geschlossen,
Augenbrauen gerunzelt, Gesichtsausdruck verächtlich und
streng zugleich.
»Bongiorno, muß ich warten?« Seine Stimme klang
entsprechend leise und heiser.
»Nein, nein, Commissario, setzen Sie sich.«
Während Montalbano auf dem leeren Stuhl Platz nahm,
hielt der Friseur in einem Affentempo wie in einem komischen
Kurzfilm von Charlie Chaplin seinem Kunden einen Spiegel in
den Nacken, ließ ihn das vollendete Werk bewundern, befreite
ihn von seinem Handtuch, warf es in einen Behälter, nahm ein
frisches Handtuch, legte es dem Commissario um die
Schultern. Der Kunde verzichtete darauf, sich wie üblich vom
Gehilfen abbürsten zu lassen, brummte ein bongiorno und
suchte
schleunigst
das
Weite.
Der
Bart-
und
Haarschneideritus, der in unerbittlichem Schweigen vonstatten
ging, war freudlos und schnell getan. Ein neuer Kunde schob
den Perlenvorhang zur Seite und wollte eintreten, doch als er
die dicke Luft roch und den Commissario erkannte, sagte er:
»Ich komme später wieder« und
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