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Commissario Montalbano 02 - Der Hund aus Terracotta

Commissario Montalbano 02 - Der Hund aus Terracotta

Titel: Commissario Montalbano 02 - Der Hund aus Terracotta Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Camilleri
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feinstem rötlichem Sand lag, der irgendwo
    eingedrungen war und sich sogar an der Wand befand. Von
    diesem Sand war in der anderen Grotte keine Spur, und
    vielleicht hatte er auf irgendeine Weise verhindert, daß die
    Leichen verwesten. Es waren ein Mann und eine Frau, deren
    Alter unmöglich auf den ersten Blick festzustellen war. Daß
    sie unterschiedlichen Geschlechts waren, schloß der
    Commissario aus dem Körperbau, nicht etwa aus den
    Geschlechtsmerkmalen, denn die waren verschwunden, in
    einem natürlichen Prozeß ausgelöscht. Der Mann lag auf der
    Seite, ein Arm quer über der Brust der Frau, die auf dem
    Rücken lag. Sie umarmten sich, und sie würden für alle Zeiten
    umarmt bleiben, denn das, was einmal das Fleisch seines
    Armes gewesen war, war mit dem Fleisch ihrer Brust wie
    verklebt, verschmolzen. Nein, man würde sie bald trennen,
    dafür würde Dottor Pasquano sorgen. Durch die runzlige,
    pergamentene Haut schimmerte das Weiß der Knochen
    hindurch; sie waren ausgetrocknet, auf ihre pure Form
    reduziert. Die beiden schienen zu lachen, die Lippen, die sich
    zurückgezogen und um den Mund herum gestreckt hatten,
    entblößten die Zähne. Neben dem Kopf des toten Mannes
    stand die Schale mit kleinen runden Plättchen darin, neben der
    Frau ein tönerner Krug, wie die Bauern ihn früher aufs Feld
    mitnahmen, um das Wasser kühl zu halten. Zu Füßen des
    Paares der Hund aus Terracotta. Er war etwa einen Meter lang
    und grauweiß, die Farben unversehrt. So hatte ihn der
    Künstler, von dessen Hand er stammte, gesehen: die
    Vorderpfoten ausgestreckt, die Hinterbeine angezogen, das
    Maul, aus dem die rosa Zunge heraushing, halboffen, die
    Augen wachsam: So lag er zwar, jedoch in der Position eines
    Bewachers. Der Teppich hatte ein paar Löcher, durch die man
    den Sand auf dem Boden sah, aber die Löcher konnten auch
    alt sein, und der Teppich war vielleicht schon in diesem
    Zustand gewesen, bevor man ihn in die Grotte gelegt hatte.
    »Alle raus!« befahl Montalbano, und, an Prestìa und den
    Kameramann gewandt: »Macht vor allem die Lampen aus!«
    Jäh war ihm bewußt geworden, welchen Schaden sie mit der
    Wärme, die von den Filmlampen ausging, und überhaupt mit
    ihrer Gegenwart anrichteten. Er blieb allein in der Grotte
    zurück. Im Schein der Taschenlampe sah er sich den Inhalt der
    Schale genau an: Die runden Dinger waren oxydierte
    Kupfermünzen. Vorsichtig nahm er die Münze, die noch am
    besten aussah, mit den Fingerspitzen auf; es war eine Münze
    zu zwanzig Centesimi, geprägt 1941, auf der einen Seite war
    König Vittorio Emanuele III., auf der anderen ein Frauenprofil
    mit dem Liktorenbündel abgebildet. Als Montalbano die
    Lampe auf den Kopf des Toten richtete, fiel ihm ein Loch in
    dessen Schläfe auf. Davon verstand er genug, um zu wissen,
    daß es von einer Schußwaffe stammte, er hatte sich also
    entweder selbst getötet oder war ermordet worden. Aber wenn
    er sich das Leben genommen hatte, wo war dann die Waffe?
    Am Körper der Frau dagegen keine Spur eines gewaltsamen,
    eines unnatürlichen Todes. Er dachte fieberhaft nach. Die
    beiden waren nackt, und in der Grotte waren keine Kleider zu
    sehen. Was hatte das zu bedeuten? Da ging, ohne vorher
    schwächer zu werden oder zu flackern, plötzlich das Licht der
    Taschenlampe aus, die Batterie war leer. Einen Augenblick
    lang war Montalbano blind und ohne Orientierung. Um keinen
    Schaden anzurichten, hockte er sich in den Sand und wartete,
    bis sich seine Augen an die Finsternis gewöhnt hatten, es
    würde bestimmt nicht lange dauern, bis er den matten
    Schimmer am Ausgang des Durchschlupfs würde sehen
    können. Doch diese wenigen Sekunden vollkommener
    Dunkelheit und Stille genügten ihm, einen ungewöhnlichen
    Geruch wahrzunehmen, den er – da war er sich ganz sicher –
    schon einmal gerochen hatte. Er versuchte sich zu erinnern,
    wo das gewesen sein könnte, auch wenn es vielleicht nicht von
    Bedeutung war. Von klein auf hatte er jedem Geruch, der ihm
    auffiel, immer eine bestimmte Farbe zugeordnet, und der hier
    war dunkelgrün. Bei dieser Assoziation erinnerte er sich, wo er
    ihn zum erstenmal wahrgenommen hatte: Es war bei Kairo
    gewesen, in der Cheops-Pyramide, in einem für Besucher
    nicht zugänglichen Korridor – ein ägyptischer Freund hatte
    ihm den Gefallen getan, ihn hindurchzuführen. Mit einemmal
    kam Montalbano sich so grob vor, so nichtsnutzig, ohne jede
    Ehrfurcht. An dem Vormittag, als er das Pärchen

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